Die Evangelische Stiftung Neuerkerode feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen, das sich am 13. September jährte. Am Abend des 25. September fand der jährliche Stiftungsempfang der Evangelischen Stiftung Neuerkerode und der Evangelisch-lutherischen Diakonissenanstalt Marienstift im Dom statt. Er stand passend zum Jubiläum unter dem Motto „150 Jahre Neuerkerode – Ein Teil von uns“.

Dompredigerin Cornelia Götz begrüßte die rund 500 Gäste im Braunschweiger Dom St. Blasii. Nach ihr sprach Rüdiger Becker, Direktor der Stiftung Neuerkerode und der Diakonissenanstalt. Er erinnerte an die Anfänge der Stiftung, an Pastor Gustav Stutzer, Luise Löbbecke und Dr. Oswald Berkhan, sowie an die ersten drei Bewohner. Aber er gedachte auch der dunklen Zeiten, als ab 1942 ein Nationalsozialist als Leiter der Stiftung eingesetzt wurde und die brutale Ideologie seiner Partei umsetzte, der auch Kinder zum Opfer fielen. Becker beschrieb, wie die Stiftung später wuchs und welche vielen verschiedenen Tätigkeitsfelder heute dazu gehören, von der Behindertenhilfe über die Pflege und Seniorenhilfe, bis zur Ausbildung, Qualifizierung und den Feldern Gesundheit, Rehabilitation und Suchthilfe. Als Aufheiterung an trüben Herbsttagen empfahl er die „Glücksgeschichten“ auf der Homepage.

Statt der erkrankten Niedersächsischen Sozialministerin Dr. Carola Reimann sprach der Landesbeauftragte für regionale Landesentwicklung Matthias Wunderling-Weilbier. Er überbrachte Grüße der Ministerin und sprach der Stiftung im Namen der Landesregierung herzlichen Dank aus. Er selbst hat eine persönliche Beziehung zu Neuerkerode, denn er leistete dort seinen Zivildienst und wohnte später auch lange Jahre im Dorf.

Dann präsentierte der Künstler Mikael Ross seine Graphic Novel „Der Umfall“ – einen modernen Comic, den er zum runden Geburtstag der Evangelischen Stiftung Neuerkerode erstellt hat. Er beschrieb, wie es zu der Graphic Novel kam, für die er nicht nur nach Neuerkerode fuhr, sondern Bewohner auch auf Ausflügen begleitete. „Im Dorf geht man auf die Leute zu“, berichtete er und auf diese Weise erfuhr er viele teils lustige, teils traurige und auch poetische Geschichten. Sie inspirierten ihn zu rund 1.000 Bildern und ließen das Buch auf 125 Seiten anwachsen.

Anstelle von Sigmar Gabriel, Mitglied des Deutschen Bundestages und Bundesminister a. D., der auf dem Flughafen festsaß, sprach die Landtagsabgeordnete Dunja Kreiser aus Wolfenbüttel. Sie versicherte, Gabriel und sie selbst stünden immer an der Seite Stiftung. Die Evangelische Stiftung Neuerkerode hat eine lange Geschichte mit vielen Veränderungen erlebt: Sie hat sich von einer Anstalt für zunächst fünf Jungen mit geistiger Behinderung im Jahr 1868 zum Dach eines modernen diakonischen Unternehmensverbundes entwickelt.

Mit rund 3.000 Mitarbeitern in den Geschäftsfeldern unterhält sie ein diakonisches Netzwerk sozialer Dienstleistungen an rund 100 Standorten in Südost-Niedersachsen. Sie kümmert sich um mehrere tausend Menschen, die Hilfe benötigen, und legt Wert auf ein familien- und gesundheitsbewusstes sowie vertrauensvolles Arbeitsumfeld mit tariflicher Bezahlung. In ihrer 150-jährigen Geschichte hat die Evangelische Stiftung Neuerkerode Zeiten spannender Entwicklungen erlebt. Bereits im Jahr 1902 wurde Neuerkerode zum Förderschulzentrum für das gesamte Herzogtum Braunschweig und machte sich damit einen Namen für qualifizierte Behindertenarbeit über die Region hinaus.

Dennoch wurden in den Jahren des Nationalsozialismus aus Neuerkerode weit über 140 Kinder, Frauen und Männer mit Behinderung verschleppt und getötet. Schon vor mehr als dreißig Jahren wurde das in Neuerkerode entwickelte Konzept „Ort zum Leben“ bundesweit in Fachkreisen diskutiert. Heute ist daraus das inklusive Dort Neuerkerode geworden.

„Unser Jubiläums-Motto ‚Ein Teil von uns‘ ist Ausdruck des Selbstbewusstseins, einen Beitrag zur Identität der Region Braunschweig zu leisten unter den Aspekten Menschlichkeit, Toleranz, Demokratie, Inklusion und Nachhaltigkeit. Zum Menschsein gehört, dass wir nicht perfekt sind. Neuerkerode macht Mut, uns zu nehmen, wie wir sind“, erklärte Direktor Rüdiger Becker.

„Wir finden eine Heimat für alle Menschen, die Unterstützung brauchen: Vom ambulanten Pflegedienst über Seniorenwohnheime bis hin zur palliativen Versorgung, von der Spezialklinik für erwachsene Menschen mit Behinderung bis zum breiten Gesundheitsangebot im Marienstift, von der Raucherentwöhnung bis zur Tagesklinik für Suchtkranke, von der inklusiven Schulverpflegung bis zur Wohngruppe für Menschen mit Handicap.“