Während das Datum der Rückholung feststeht, ist der Weg dorthin noch lange nicht in Sicht. Bundesumweltministerin Svenja Schulze machte sich am Donnerstag persönlich ein Bild über das marode Atommülllager in der Asse. Gemeinsam mit Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Verantwortlichen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) fuhr die SPD-Politikerin unter Tage.

Mitarbeiter der BGE, darunter der technische Geschäftsführer Dr. Thomas Lautsch, informierten über die aktuelle Lage in dem Salzbergwerk. „In der Asse lagern rund 126.000 Fässer mit radioaktivem Abfall“, erklärte Schulze am Abend vor rund 100 Bürgern, Abgeordneten und Bürgerinitiativen. Die Rückholung sei weltweit ein einzigartiges Projekt und äußerst komplex. Enorme Ingenieursleistungen seien erforderlich. „Das Bundesumweltministerium übernimmt die politische Verantwortung“, sagte sie. 2033 soll laut ihr die Rückholung technisch möglich sein. Gelingen werde dies aber nur mit einem Zwischenlager. Schulze: „Bis zum Jahresende steht der Rückholungsplan.“

Das bestätigte auch BGE-Geschäftsführer Stefan Studt. „Bis Ende 2019 werden wir konkrete Pläne für den nötigen Schachtbau, die Rückholung und die Zwischenlagerung vorlegen“, sagte er. Der Zeitplan sei wohl auch nötig, weil immer mehr Wasser in das frühere Salzbergwerk eindringe. Noch hätten die Ingenieure, Bergleute und Geologen die Wassermengen im Griff. Lautsch: „Die entscheidende Frage bleibt aber, ob das schon heute an vielen Stellen instabile Bergwerk standfest bleibt und ob sich die Wasserzuflüsse, wie in den letzten Monaten geschehen, nicht noch erhöhen.“ Von den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie vom Chemiemüll gehe somit eine immer größere Gefahr aus. Zu den Stoffen zählten auch mindestens 102 Tonnen Uran, 87 Thorium und 28 Kilogramm des äußerst giftigen Stoffes Plutonium, die in den 60er und 70er Jahren eingebracht wurden. Es handele sich um Altlasten aus Forschung, Industrie und Medizin.

Für Olaf Lies war der Termin zunächst ein gutes Zeichen, dass sich der Bund kümmere. „Ich habe hier ein gutes Gefühl, dass uns die Rückholung gelingt“, machte er Mut. „Alles was notwendig ist, um das Risiko zu minimieren, ist auch der richtige Weg. Wir werden Maßnahmen diskutieren und ausgiebig abwägen.“ Dabei versprach er Transparenz. Lob und Dank richtete er an alle Bürger, die sich für die Rückholung einsetzen. „Dass wir alle nun hier sind und das Thema einen solch hohen politischen Wert hat, ist Ihre Arbeit. Das ist Ihr Erfolg“, hob der Minister hervor.

Thomas Lautsch sprach vom spürbaren Rückenwind aus Berlin. Derzeit sei man mit Verfüllungen des Schachtes beschäftigt. Nofallsicherungsmaßnahmen würden aufgebaut. „Wir sehen leider, dass das Bergwerk keine Stabilität hat. Jeden Tag dringen mehr als 13 Kubikmeter Wasser ins Bergwerk ein. Ein Großteil davon wird oben aufgefangen, bevor es Kontakt zu den Abfällen hat“, erklärte er. Für die tiefer gelegenen Zuflüsse auf der 750-Meter-Sohle gelte dies nicht. Das seien Wässer, die direkten Kontakt mit den radioaktiven Abfällen hätten. Mehrere Probebohrungen seien jüngst erfolgt. Lautsch erklärte zudem, dass der Wassereintritt eine Rolle bei der Planung des Schachts Asse 5 spielt, der für die Rückholung der Fässer benötigt wird. Alle Erkenntnisse fließen in die Genehmigungsplanung ein.

Regina Bollmeier, Samtgemeindebürgermeisterin Elm-Asse, erklärte, dass sich schon viele Minister an diesem Thema versucht hätten. „Leider immer erfolglos.“ Sie überreichte Svenja Schulze einen Stoff-“Till Eulenspiegel“ in der Hoffnung, dass sie sich genauso für die Region einsetzen werde, wie es die bekannte Spaßfigur tat. Schulze antwortete direkt: „Die Sicherheit steht an erster Stelle. Wir müssen das Wasser in den Griff kriegen.“ Deshalb würden auch Konditionierungseinrichtungen benötigt. „Wenn wir den Atommüll rausholen, muss er auch sicher verpackt abtransportiert werden. Dafür würden zudem Pufferlager benötigt.“ Die erforderliche Bergetechnik müsse entwickelt werden.

Uwe Lagosky, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion und ehemaliges MdB, wollte wissen, wo es mit dem Assemüll nach der Rückholung hingehen soll. Schulze erklärte, dass noch immer ein Standort bundesweit gesucht werde. Bundestagsabgeordneter Victor Perli (Die Linke) forderte, dass ein Zeitplan aufgestellt wird und dass die bereitgestellten Milliardenbeträge des Bundeshaushaltes eingesetzt werden. Vom BUND forderte Christiane Jagau einen besseren Informationsfluss. „Wir brauchen eine Internetseite mit allen Informationen.“

Wolfram König, Präsident des BfE, betonte, dass die Rückholung „konservativ“ erfolgen müsse, weil man sich auf Unterlagen, die bei der Einlagerung erstellt wurden, nicht verlassen könne. „Das, was auf den Fässern steht, muss nicht drin sein.“ Die damalige Dokumentation sei unzureichend. Wolfgang Cloosters, Abteilungsleiter beim Bundesumweltministerium für Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz, erklärte, dass auch eine Umgebungsüberwachung durchgeführt werde, um einen umfassenden Überblick von Umweltschäden und Radioaktivität zu erhalten. Das hatte zuvor ein Bürger als vernachlässigt angesehen.

Heike Wiegel übergab der Bundesumweltministerin einen Fragen- und Maßnahmenkatalog, die die Bürgerinitiative „AufpASSEn“ ausgearbeitet hat. Sie forderte unmissverständlich: „Kein Atommüll mehr an Wohngebieten. Das gilt für Zwischenlager und für Endlager.“ Landrätin Christiana Steinbrügge bat darum, dass sich das Bundesumweltministerium wieder am Asse-2-Begleitprozess beteilige. Dadurch würde signalisiert, dass sich die Bürger im Landkreis nicht im Stich gelassen fühlen. „Seit mehr als einem Jahr hat sich der Bund nicht am Prozess beteiligt“, so Steinbrügge. Das müsse sich ändern. Drei bis vier Sitzungen gebe es im Jahr. Schließlich dankte sie der BGE. „Sie kommen gut voran. Ihr Engagement ist wirklich groß.“

Olaf Lies ermutigte am Ende: „Viele Menschen haben zu recht den Eindruck, dass nichts geschieht, weil sie keine Fortschritte sehen. Doch ohne die Stabilisierung des Bergwerks in den letzten Jahren würden wir hier vielleicht nicht mehr sitzen. Das BGE hat schon viel im Schacht geleistet.“ Er wolle Transparenz herstellen, Misstrauen abbauen und Vertrauen aufbauen.

Umstritten war der Besuch der Ministerin seitens der zivilgesellschaftlichen VertreterInnen (ZGV), die ihr Kommen zuvor als Stippvisite bezeichneten, welche keine Regierungsverantwortung ersetze. „Eine Veranstaltung, die 90 Minuten dauert und bei der dann auch noch drei andere Referenten sprechen, ist erheblich zu kurz gesprungen“, erklärte Ulrich Löhr im Vorfeld. Viele Fragen notierten zwar am Abend die Verantwortlichen mit, doch nicht auf alle gab es ausreichende Antworten. Schulze wolle sich schon bald erneut vor Ort erkundigen, sagte sie abschließend.