534 Pfeifen waren schon da, 504 Pfeifen kommen nun neu hinzu. Die Orgel in St. Ansgar war beim ersten Bauabschnitt nicht vollständig fertiggestellt worden. Es fehlte das zweite Manual. Vor drei Jahren hatten deshalb einige engagierte Gemeindemitglieder das Projekt „Eine ganze Orgel“ ins Leben gerufen.

Inzwischen ist die Finanzierung annähernd gesichert, und das Projekt befindet sich auf der Zielgeraden: Seit vier Monaten befindet sich in der katholischen Kirche an der Waldenburger Straße eine „Orgelbaustelle“. Ausgebaute Orgelpfeifen aller denkbaren Größen, von wenigen Zentimetern bis zu drei Metern, werden gereinigt und überprüft.

Gleichzeitig werden die neuen Orgelpfeifen in der Werkstatt in Braunschweig für den Einbau in das Wolfenbütteler Instrument vorbereitet. Doch ganz neu sind die Pfeifen nicht. „Sie stammen wohl aus einem Kloster in Belgien“, berichtet Orgelbauer Florian Fay. Er hatte das Angebot, das genau dem entsprach, was in St. Ansgar fehlte, auf einem Orgel-Portal im Internet entdeckt.

Ausgebaut ist auch die Windlade. „Das ist das Herzstück einer Orgel“, erklärt der 46-Jährige. Die Windlade befindet sich nicht sichtbar unterhalb der inneren Pfeifen und verteilt dort die Luft in jede einzelne Pfeife. Die Organisten hatten beklagt, dass die Pfeifen des Pedalregisters (Subbass), die an den Außenseiten der Orgel zu sehen sind, zu leise seien. Nun wird die Windlade so überarbeitet, dass die Pedalpfeifen mehr Wind bekommen. Schließlich seien die tiefen Töne besonders wichtig, so Fay: „Sie liefern das Fundament für den Klang.“

Ein Mitarbeiter kümmert sich derweil um die Tastatur und den Spieltisch. Hier steht eine Modernisierung an: In eine Schublade wird ein moderner Liedanzeiger eingebaut. Auf einem neu installierten Bildschirm statt des bisherigen einfachen Spiegels kann der Organist künftig das Geschehen am Altar verfolgen.

Neu sind auch zwei Türen, mit denen der bisher für jeden zugängliche Spieltisch abgeschlossen werden kann. Schließlich wird die obere Tastatur für das zweite, neue Manual eingebaut. Sie war immer schon vorhanden, aber bisher nur Fassade. An der Vorderfront ist das gelbliche Kiefernholz bereits unter neuer Farbe verschwunden. „Das Gehäuse für das zweite Manual, das sich im hinteren Teil befindet, wird mit neuem Holz geschlossen“, erklärt der Orgelbauer.

Weil Farbunterschiede im Holz unvermeidlich gewesen wären, hatte er vorgeschlagen, das gesamte Gehäuse farbig zu fassen und so auch die Wertigkeit der Orgel neu zu betonen. „Farbige Orgeln haben eine lange Tradition“, weiß der Orgelbauer, der sich auch intensiv mit Orgelgeschichte befasst hat und für die Landeskirche nebenberufliche Organisten darin unterrichtet.

Rubinrot heißt der Farbton, für den sich die Mitglieder des Förderkreises nach anfänglicher Skepsis einstimmig entschieden haben. Genau diese kräftige, warme Farbe habe ihm von Beginn an vorgeschwebt, bekennt Fay. „Zusammen mit den silbernen Pfeifen wirkt das sehr edel“, schwärmt er und verweist auf die dunkelrote Orgel in St. Giles in Edinburgh und eine rote Schnitger-Orgel in Ostfriesland.

Gestaltungsaspekte spielen in der Arbeit eines Orgelbauers neben den musikalischen Anforderungen durchaus eine Rolle. Auch historisches Wissen sei wichtig, wenngleich es in der hiesigen Region nur sehr wenige richtig alte Orgeln gebe. „Die meisten stammen aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als die Kirchengemeinden hier recht wohlhabend waren und sich neue Orgeln anschaffen konnten“, weiß Fay, der auch Restaurator ist. Sie werden gereinigt, restauriert und überarbeitet. Neubauten von Orgeln gebe es nur selten. Umso mehr freue er sich über den „halben Orgel-Neubau“ in St. Ansgar, so Fay.

Am Ende der Arbeiten in der St.-Ansgar-Kirche wird der Klang in den Mittelpunkt rücken. Der Orgelbauer wird zum Künstler, denn nun kommt es auf sein gutes Gehör an. „Wie klingt das Instrument im Raum. Wie ist der Gesamtklang? Welchen Klang möchte ich haben? Die eigentliche Musik mache der Orgelbauer“, betont Fay. „Der Organist kann den Klang einer Orgel nicht beeinflussen. Er schlägt eine Taste an, und das entsprechende Ventil öffnet sich. Und das kann eben nur ‚auf‘ oder ‚zu‘.“ Der Ton einer Orgelpfeife werde durch die Menge der Luftzufuhr bestimmt, je nachdem, wo das Luftband wieder austritt. Jede Pfeife wird vom Orgelbauer auf ihre Klangqualität überprüft. „Dabei geht es manchmal um Bruchteile von Millimetern.“

Rund vier Wochen im September rechnet der Orgelbauer für diese letzte Feinabstimmung. Dabei seien sie immer zu dritt: „Einer spielt die Orgel. Ich bin im Raum und höre. Einer ist in der Orgel und ändert die Bedingungen so, dass alle Parameter stimmen.“ Danach ist die Orgel in St. Ansgar endlich fertig.