Hochhausbrände, Busunfälle, Gefahrgutalarm, Massencrash – Szenarien, die auch hier gar nicht so abwegig sind. Man erinnere sich nur mal an den dramatischen Partyabend im Jahr 2016 am Ziegenmarkt, als ein Balkon mit neun Menschen sechs Meter abstürzte. Oder 2018 der Großbrand an der Goslarschen Straße/Ecke Zickerickstraße, als zahlreiche Brandopfer vom Rettungsdienst versorgt werden mussten, ein Mensch sogar verstarb. Die unfallträchtige A36 für die Feuerwehren Oderwald, Wolfenbüttel und Schladen oder die A39 für die Wehren aus Cremlingen können ein Großaufgebot von Rettungskräften auf den Plan rufen – alles schon passiert.

Das Klinikum und das Deutsche Rote Kreuz aus Wolfenbüttel reagierten, führten viele Gespräche, bis Verträge unterschrieben waren. Was sich bereits bei den Feuerwehren bewährt hat, sollte auch dem Rettungsdienst im Landkreis dienen. „Der Kreistag beschloss im Juli 2019, eine Örtliche Einsatzleitung (ÖEL) zur rettungsdienstlichen Leitung einzurichten“, erklärte Axel Burghardt. Ohne Diskussionen sei der Beschluss von den Kreistagsmitgliedern gefasst worden. Der Klinikum-Geschäftsführer beschrieb die Gründung dieser Einheit als Gemeinschaftswerk. Es sei etwas Großartiges auf den Weg gebracht worden, das Schaden abwenden und Leben retten wird. „Wir haben ein kompetentes Notarztteam, auf das ich sehr stolz bin“, lobte Burghardt und nannte drei Einsätze, zu denen seit Bestehen am 1. Januar ausgerückt wurde. Zuletzt Anfang Februar der Brand an der Flüchtlingsunterkunft Okeraue mit fünf Rauchgas-Verletzten. 

Um die Erweiterung des Rettungsdienstportfolios zu realisieren, verständigten sich das Klinikum, das DRK sowie der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes auf eine Zusammenarbeit. Aus 19 Notärzten besteht das Team: Dr. Ulrich Heida, Dr. Tobias Jüttner, Dr. Nils Beiser, Dr. Carsten Bohlens, Dr. Ansgar Dallmöller, Dr. Roland Diesel, Dr. Ute Geffers-Schwerin, Dr. Tobias Sengpiel, Dr. Jutta Wolff, Janine Greff, Michael Bremer, Simon Herbig, Stephanie Hoffmann, Felix Homrighausen, Evgenija Mehrens, Klaus Niebuhr, Ulrich Taeger, Helge Trauden sowie Anke Walter. Sie alle erhielten in dieser Woche bei einer Feierstunde ihre Ernennungsurkunden zu Leitenden Notärzten – jeder war stolz. 

„Eine ÖEL besteht künftig mindestens aus einem Leitenden Notarzt sowie einem Organisatorischen Leiter“, führte Dr. Ulrich Heida, Ärztlicher Leiter Zentrale Aufnahme aus. „Mit der ÖEL werden alle medizinischen Maßnahmen am Unfallort koordiniert, um die Gesundheit von Verletzten zu erhalten und Folgeschäden zu vermeiden. Der Organisatorische Leiter ist für alle Maßnahmen des Sanitäts- und Betreuungsdienstes verantwortlich“, ergänzte er. Beide bauen eine Infrastruktur auf, bestimmen Transporte, sortieren nach Verletzungsgrad, fordern nach, stimmen sich mit der Feuerwehr ab. 

Das neue ÖEL-Fahrzeug ist ein Kommandowagen und erstrahlt an den Seiten mit den Logos der drei Partner. An Bord sind Funkgeräte, Dokumaterial, Erste Hilfe-Koffer, Schutzausrüstung. Auch darf es mit Sonderrechten fahren. „Von 7.30 bis 16 Uhr ist es am Klinikum stationiert. Danach wird es vom diensthabenden Notarzt mit nach Hause genommen. An Wochenenden gibt es 24-Stunden-Dienste“, so Dr. Tobias Jüttner, Chefarzt für Notfallmedizin. Die Leitstelle in Braunschweig alarmiert dabei regulär über die Meldeempfänger. 

Kathrin Klooth, Dezernentin beim Landkreis, sagte: „Wir müssen eine flächendeckende Versorgung im Rettungsdienst sicherstellen. Für Massenunfälle benötigen wir mehr Kapazitäten.“ Mit der ÖEL folge der Landkreis Empfehlungen des Landesausschusses Rettungsdienst zur Bewältigung solcher Ereignisse. „Wir sind jetzt wesentlich stärker“, so Klooth, die die Urkunden übergab. 

Achim Zander, Abteilungsleiter für Rettungswesen beim Landkreis, erklärte, dass die ÖEL innerhalb von 30 Minuten an jedem Ort sein muss. Bislang sei der Landkreis von Braunschweig abhängig gewesen. „Ausgenommen von der neuen Regelung ist die Samtgemeinde Baddeckenstedt, die von Salzgitter-Kräften weiterhin versorgt wird“, merkte Zander abschließend an.