Gemeinsam mit der Stadt Wolfenbüttel hat das Bündnis gegen Rechtsextremismus am vergangenen Dienstag, 9. November, den Opfern der Reichspogromnacht vor 83 Jahren gedacht und einen Kranz am jüdischen Gedenkstein auf dem Lessingplatz niedergelegt. Rund 150 Wolfenbütteler waren zur Gedenkveranstaltung um 16.30 Uhr erschienen. 

Ivica Lukanic hieß alle Anwesenden willkommen und begrüßte, dass die Gedenkstunde wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden konnte. „Es ist uns eine Verpflichtung, den Ereignissen zu gedenken, insbesondere angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in unserem Land“, betonte Wolfenbüttels Bürgermeister und mahnte an späterer Stelle seines Grußwortes: „Wir müssen daran erinnern, was Rassenwahn angerichtet hat und immer noch anrichten kann.“ Im Hinblick auf aktuelle rechte Entwicklungstendenzen und die Umtriebe der Querdenker-Szene forderte er nicht zuzulassen, dass Menschen unsere Gesellschaft zu spalten versuchen.

Sein Vorgänger im Amt, Thomas Pink, warnte ebenfalls vor der AFD und den Querdenkern, vor der weiteren Verbreitung völkischen Gedankengutes, der Zunahme von Attentaten auf jüdische Menschen und Einrichtungen und vor einer „unerträglichen Verrohung der deutschen Sprache“. All das nage an unserer Demokratie, die es zu verteidigen gelte, so Pink. In seiner Ansprache appellierte er auch an alle gesellschaftlichen Kräfte, sich für politische Bildung stark zu machen und auf diese Weise politische und gesellschaftliche Aufklärung in stärkerem Maße herbeizuführen: „Gedenktage sind wichtig, aber auch deren Umstände und Hintergründe müssen beleuchtet und dargestellt werden.“

Nach einer Lesung von vier Schülern und Schülerinnen der Leibniz-Realschule aus dem Buch „Über den grünen Hügeln“ der Autorin Lotte Strauss, die als Zeitzeugin die Pogrome in Wolfenbüttel dargelegt hat, trat Martina Staats von der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel an das Mikrofon. Sie nannte den 9. November 1938 eine Zäsur, die die systematische Auslöschung jüdischen Lebens in Deutschland sichtbar gemacht habe. Auch in Wolfenbüttel schlugen die Nazis zu, setzten die Synagoge in Brand und verschleppten nahezu alle jüdischen Männer in das Konzentrationslager Buchenwald. In ihrem eindringlichen Plädoyer forderte sie ein lebendige Gedenk- und Erinnerungskultur: „Die Geschichten von Verfolgten müssen erzählt werden!“ Als gutes Beispiel dafür lobte sie die Kooperation der Stadt mit dem Bündis gegen Rechtsextremismus unter Beteiligung vieler Schüler. Mit dem Wissen um die Geschehnisse in der Nacht zum 10. November 1938 seien wir alle aufgefordert, gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einzuschreiten. Staats schloss ihre Rede mit dem eindringlichen Wunsch: „Fasst Euch ein Herz!“

Den letzten Wortbeitrag lieferte Michael Sandte vom Bündis gegen Rechtsextremismus. Er dankte Thomas Pink für sein Engagement und auch die finanzielle Unterstützung des Bündnisses während seiner Amtszeit als Bürgermeister Wolfenbüttels und hob noch einmal die gute Resonanz der inzwischen 20 Jahre alten Initiative innerhalb der Bevölkerung hervor.

Im Anschluss stellten viele Anwesenden zum Gedenken ihre ewigen Lichter in einem Kreis um den Gedenkstein ab – ein schönes, versöhnliches Zeichen als mahnende Erinnerung an das unendliche Leid, dass jüdische Mitbürger während der Nazidiktatur erdulden mussten.