Thomas Ebeling hat als erster Mensch mit Behinderung die Ausbildung zum “Fachpraktiker Küche” im Solferino absolviert. Der 24-Jährige hat das Down-Syndrom und ist damit kein ganz gewöhnlicher Azubi. Im Inklusionsbetrieb Solferino am Exer erfuhr er genau die Unterstützung, die er brauchte, um am Ende alle Prüfungen in Theorie und Praxis zu meistern. Stolz zeigt Küchenleiter Fabian Nestle die neue Theke im Hauptverkaufsraum des Solferino – alles ist neu. Moderner, hygienischer, sicherer. Im großzügigen Nachbarraum hatte ein Wasserschaden im vergangenen Jahr die Theke für die Ausgabe ruiniert, im Februar wird noch die Theke in der Lounge saniert – nur die Studierenden fehlen wegen Pandemie und E-learning immer noch.

Als Thomas Ebeling vor drei Jahren seinen Ausbildungsvertrag im Solferino unterschrieb, war niemandem klar, wie groß die Herausforderung tatsächlich wird. “Wir sind wirklich stolz, einem Menschen mit Down-Syndrom eine Berufsausbildung ermöglichen und vielleicht auch zumuten zu können“, so Solferino-Geschäftsführerin Corina Bornecke. Auch ohne Pandemie sei die Ausbildung nicht leicht, die sich der 24-Jährige ausgesucht hat. Die langen Arbeitszeiten und körperliche Tätigkeiten machen dem sport- und musikbegeisterten Thomas aber nichts aus: ”Ich brauche halt nur mehr Hilfe“, sagt der junge Mann selbstbewusst.

Ermöglicht hat ihm die Ausbildung der Fachdienst zur beruflichen Eingliederung (FBE) der DRK-Inkluzivo GmbH. Dieser bietet Menschen mit Handicap berufliche Alternativen zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Denn jeder Mensch, so die Überzeugung im Roten Kreuz, habe eigene Talente, Fähigkeiten und berufliche Ambitionen. Sozialarbeiter des FBE begleiten ihre Klienten als ”Jobcoach“ durch Praktika in verschiedensten Berufen und greifen unterstützend unter die Arme, bis ihr Schützling auf eigenen Beinen stehen kann. Häufig springt dabei ein Arbeitsvertrag heraus – manchmal auch eine Ausbildung. Die Nachfrage beim noch recht jungen Angebot des FBE sei riesig, erklärt Corina Bornecke. Mehr als 20 Klienten würde man derzeit allein in Wolfenbüttel betreuen.

Thomas war vorher unter anderem in einem Restaurant und in der Altenpflege, zwischen dem Inklusionsbetrieb Solferino und Thomas passte es am Ende aber am besten, und so ging man das Wagnis Ausbildung ein. ”Es war am Anfang nicht einfach, sich in der Küche zurechtzufinden“, schildert Thomas. Manchmal war ihm der Druck zu viel. ”Doch dann geht er einfach raus, erledigt Arbeiten, die immer anfallen und gut allein zu bewältigen sind – fegt die Treppe und kommt dabei innerlich wieder runter“, berichtet Bornecke. Den schulischen Teil seiner Ausbildung absolvierte Thomas in einer Berufsschule in Wolfsburg. Mit der Berufsschule in Braunschweig, so Bornecke, habe es damals nicht geklappt – die Inklusion an den Berufsschulen stecke noch in den Kinderschuhen.

Auf die Frage, wie lange er denn zur Schule fährt, rattert Thomas seinen kompletten Fahrplan runter, inklusive Fahrzeiten und Abfahrtsgleisen. “Etwa eineinhalb Stunden“, fasst die Chefin zusammen. ”Es macht aber auch Spaß mit dem ganzen Umsteigen!“, hebt Thomas hervor. Solche oft als nervig empfundenen Alltagsgeschichten erzählt nicht jeder gern – Menschen mit Down-Syndrom verarbeiten Alltagsdinge aber anders. Auch Neues erlernen können sie nur auf ihre eigene Weise, weswegen sein Berufscoach mit ihm erstmal einen Weg zum Lernen erarbeiten musste. Probleme, sagt der 24-Jährige, habe er vor allem mit den französischen Fachbegriffen beim Kochen gehabt.

Doch auch das gehört jetzt der Vergangenheit an – bei der Prüfung überzeugte er die IHK-Tester mit Cordon Bleu, Kartoffeln mit Gemüse und Obstsalat. Und auch die Theorie konnte er mit Bravour meistern. Seit dem 1. Februar ist er nun nicht mehr als Auszubildender, sondern als Fachkraft fest beim Solferino angestellt. ”Thomas würde sonst wirklich fehlen“, sagt Bornecke in Richtung ihres ehemaligen Azubis. ”Ich bin dankbar, dass ich euch habe“, antwortet der. Ein großer Erfolg für das Solferino, an den jetzt angeknüpft werden soll.

Im Inklusionsbetrieb DRK-Solferino werden täglich 700 Mahlzeiten für Schulen und Kitas zubereitet. Im angeschlossenen Restaurant essen von Montag bis Freitag, 8.30 bis 15 Uhr täglich etwa 200 Gäste. Hinzu kommen die Aufgaben durch das Cateringangebot und die Anmietung der für spätabendliche, laute Veranstaltungen günstig gelegenen Räume an Wochenenden. ”Viele verwechseln einen Inklusionsbetrieb mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen – das sind wir aber nicht. Ein Inklusionsbetrieb ist ein wirtschaftlicher Betrieb am ersten Arbeitsmarkt, der sich verpflichtet, 40 bis 50 Prozent der Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung einzustellen“, betont Corina Bornecke.

Gestartet hat das Solferino mit 14 Personen – davon sieben mit Schwerbehinderung. Nun ist man auf 20 feste Mitarbeiter angewachsen, davon zehn mit Schwerbehinderung. Was sie von jedem anderen Restaurant unterscheidet? ”Nichts“, sagt Bornecke und erklärt: ”Wir haben uns auch oft gefragt: ‘was wollen wir zeigen?’ Sind es die Menschen mit Behinderung oder die Qualität, die wir abliefern?“ Doch die Qualität, so die Geschäftsführerin, spreche für sich – das würden auch die Kunden sehen. ”Diesen Betrieb haben wir alle zusammen aufgebaut, als Team.“ Die Ausbildungen, besonders die der Fachpraktiker, sollen nun fortgesetzt werden, dafür sieht sich das DRK in der Verantwortung. „Für die Zukunft wünschen wir uns weitere Fachausbildungen mit reduziertem Lernumfang, um Menschen mit Behinderung einen Erfolg am ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.“