Das Museum Wolfenbüttel, die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel und das Niedersächsische Landesarchiv, Abteilung Wolfenbüttel, kooperieren bei einem Schülerprojekt zum Thema „Nationalsozialismus in Wolfenbüttel“, das sich an die Klassenstufen 9 bis 11 der Schulen der Region Braunschweig richtet.

Mit drei organisierten Terminen in drei unterschiedlichen Institutionen – Stichwort außerschulische Lernorte – bietet das Projekt einen umfassenden Einstieg in die Unterrichtseinheit „Nationalsozialismus“. Dies ist der ideale Startpunkt für die weitere Auseinandersetzung im Unterricht. 

„Gegenwertiges zu bewerten setzt historische Vorbildung voraus. Das Schulprojekt für die Klassenstufen 9 bis 11 ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur unserer Gesellschaft. Die NS-Zeit muss trotz des engen Lehrplans mehr Platz im Unterricht bekommen. Die Auseinandersetzung mit diesem schrecklichen Kapitel unserer Wolfenbütteler Geschichte ist unentbehrlich. Unser gemeinsames Angebot von Bürger Museum, Landesarchiv und Gedenkstätte macht als Einstieg in das Thema das Unbegreifliche greifbar und schließt mit dem Angebot für Schülerinnen und Schüler die Kette zwischen Vergangenheit und Zukunft“, sagte Bürgermeister Ivica Lukanic. 

Das gemeinsame Angebot vermittelt neben historisch-fachlichen Inhalten zum Thema „Nationalsozialismus“ grundlegende Methoden zur wissenschaftlichen Recherche und dem Umgang mit historischen Quellengattungen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Wolfenbütteler Stadtgeschichte und den Auswirkungen auf die Stadtgesellschaft. Die Schülerinnen und Schüler lernen zudem wichtige Bildungseinrichtungen in der Stadt Wolfenbüttel kennen. Am Ende präsentieren die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse im Bürger Museum, zum Beispiel im dortigen Bürger Archiv.

„Mit diesem Angebot wenden wir uns erstmals gemeinsam zu einem Thema an die Schulen. Das ermöglicht Schulen, Lehrern und Lehrerinnen und natürlich den Jugendlichen einen einfachen organisatorischen Einstieg, aber zugleich einen sehr intensiven Kontakt mit Objekten, Archivalien und anderen Quellen“, erklärte Dr. Sandra Donner, Leiterin des Museums Wolfenbüttel.

„Ich freue mich über das gemeinsame Geschichtsprojekt und die weitere Zusammenarbeit der drei Wolfenbütteler Institutionen. Gern beteiligt sich die Gedenkstätte in der JVA und ergänzt das Programm mit einem Workshop zu Täter- und Opferbiographien zur Thematik NS-Justiz- und Strafvollzug“, so die Gedenkstättenleiterin Martina Staats.

„Schon seit längerem wird das Archiv von Schülerinnen und Schülern als Forschungsort nachgefragt. Hier können sie beispielsweise für Stolpersteinprojekte, Facharbeiten oder Geschichtswettbewerbe recherchieren und mit ihren Lehrkräften einen Blick hinter die Kulissen des Archivs werfen. Wir freuen uns, wenn über das gemeinsame Angebot der drei Institutionen weitere Jugendliche entdecken, wie spannend die Arbeit mit originalen historischen Quellen sein kann“, sagte Dr. Silke Wagener-Fimpel, Stellvertretende Leiterin des Niedersächsischen Landesarchivs, Abteilung Wolfenbüttel.

„Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit den Jugendlichen. Die Kooperation mit den anderen Häusern bietet zudem tolle Möglichkeiten der Schwerpunktsetzung, nicht nur für das Thema Nationalsozialismus sondern auch für weitere unterrichtsrelevante Inhalte. Wir möchten mit unserem Angebot den Zugang zu den Kultur- und Bildungseinrichtungen der Stadt Wolfenbüttel für Lehrkräfte mit ihren Lerngruppen so einfach wie möglich gestalten“, so Stella Gilfert, Museumspädagogin des Museums Wolfenbüttel. 

„Eines der Themen, mit denen sich die  Schülerinnen und Schüler beschäftigen könnten, ist die Verfolgungsgeschichte der Brüder Günther und Franz Morgenstern durch die Polizei und die deutsche Justiz. Günter Morgenstern wurde am 15. Dezember 1943 vom NS-Sondergericht Braunschweig wegen angeblicher Wehrpflichtentziehung durch versuchte Flucht in die Schweiz zum Tode verurteilt und im März 1944 im Strafgefängnis Wolfenbüttel durch das Fallbeil hingerichtet“, berichtet Markus Gröchtemeier, Stellvertretender Leiter des Museums Wolfenbüttel. Der Brief der Stiefmutter, die Urteilsschrift, weitere Dokumente zum Fall des Wolfenbütteler Bruderpaares und Fotos sollen zukünftig einen festen Platz in der Dauerausstellung des Bürger Museums erhalten.

Das Programm

Teil 1: Inhaltliche Einführung, Bürger Museum Wolfenbüttel

Eine Führung durch das Bürger Museum Wolfenbüttel mit anschließendem Workshop liefert einen lokalgeschichtlichen Einblick in die Zeit des Nationalsozialismus aus Sicht der Wolfenbütteler Stadtgesellschaft. Die Klammer reicht von der Gründung der NSDAP-Ortsgruppe 1922 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Bei diesem Termin werden Objekte und Objektgeschichten zur NS-Zeit in den Mittelpunkt gestellt. Thematische Schwerpunkte können individuell gesetzt werden. Dauer ca. 90 Minuten 

Teil 2: Einführung Recherche im Archiv, Niedersächsisches Landesarchiv, Abteilung Wolfenbüttel

In einer Einführungsveranstaltung werden die Recherchemöglichkeiten im Archivinformationssystem Arcinsys sowie die Forschung im Lesesaal vorgestellt. Führungen bieten einen Einblick in die Arbeit der Archive – auch hinter den Kulissen. Die Zeit des Nationalsozialismus lässt sich in vielfältiger Weise anhand von Verwaltungsakten bis in die Nachkriegszeit hinein nachvollziehen. Auch Zeitungen, Fotos und private Nachlässe stehen für die Auswertung zur Verfügung. Thematische Schwerpunkte können individuell gesetzt werden, auch Beratung bei Projekten und Facharbeiten wird angeboten. Dauer ca. 90 Minuten

Teil 3:  Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

In Wolfenbüttel befand sich das zentrale Gefängnis des Landes Braunschweig. Ab 1933 wies die Justiz zunehmend politisch Andersdenkende, sozial und rassistisch Ausgegrenzte, Homosexuelle sowie Zeugen Jehovas in das Gefängnis ein. Zwischen Oktober 1937 und März 1945 wurden dort 526 Männer und Frauen mit der Guillotine hingerichtet. Der Workshop informiert über den historischen Ort – verbunden mit einem Besuch des ehemaligen Hinrichtungsgebäudes und von Haftzellen – und verdeutlicht anhand von Täter- und Opferbiographien den verbrecherischen Anteil von NS-Justiz und -Strafvollzug am nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungssystem.

Die Länge des Workshops ist flexibel, jedoch sollten nicht weniger als drei Zeitstunden (180 Minuten) eingeplant werden.

Der offizielle Start ist nach den Sommerferien geplant. Alle Beteiligten würden sich aber schon jetzt über eine Anfrage bzw. Anmeldung von den Schulen sehr freuen, denn dieses Projekt bietet einen umfassenden Einstieg in die Unterrichtseinheit „Nationalsozialismus“ und ist der ideale Startpunkt für weitere Auseinansetzung im Unterricht.