Torsten Ruhe und sein Team sind im Baustress – warum sollte es der öffentlichen Hand auf der Zielgeraden auch anders gehen als privaten Bauherrn? Die Wirtschaftsbetriebe des Landkreises Wolfenbüttel (WLW) errichten derzeit ein neues Bürogebäude, die Adresse lautet wie bei dem Vorgängerbau, der demnächst abgerissen wird: In den Schönen Morgen 1.

Gerade im Vergleich dieser beiden Häuser lässt sich gut ablesen, welche Quantensprünge die Gebäudetechnik in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat. Und zwar sowohl energetisch als auch auf dem Gebiet der Digitalisierung. Wenn man dann noch die zeitgemäße Versorgung und Unterbringung von Mitarbeitern und Besuchern in die Waagschale wirft, konnte es eigentlich nur eine Entscheidung geben: Neubau. Insbesondere weil der bisherige Bürobau aus den 60er-Jahren stammt und somit die Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinien für die Umkleiden und die Sanitärräume nicht mehr erfüllen kann.

„Die Entscheidung war für die Entwicklung der Organisationsabläufe der Wirtschaftsbetriebe wichtig, und wir beseitigen gleich eine ganze Reihe von Missständen“, erzählt Torsten Ruhe. Trotz aller aktuellen Widrigkeiten im Bauablauf – zum Beispiel kommen die Arbeitskolonnen aus ganz Deutschland und sorgen dafür, dass der Geschäftsführer seit Monaten keinen geregelten Arbeitsablauf mehr kennt – ist ihm doch der Stolz auf den Neubau anzumerken. Und das liegt nicht nur an den Rahmenbedingungen, die heute bei Baumaßnahmen der öffentlichen Hand keineswegs selbstverständlich sind. Drum lassen wir den Bauherrn sie hier nochmal deutlich sagen: „Wir bleiben nicht nur bei den Kosten im Rahmen der Vorgaben, obwohl die aus November 2019 stammen, sondern halten nach heutigem Stand sogar die geplante Bauzeit.“

Tatsächlich war nach dem Baubeginn Ende März 2021 (Baugrube) davon ausgegangen worden, dass die WLW spätestens im Juli 2022 einziehen können. Doch nun findet der Umzug schon im April statt. „Gleich im Anschluss reißen wir das alte Gebäude ab.“

Schon jetzt wird deutlich, dass die Wirtschaftsbetriebe für 5,3 Millionen Euro einen energieeffizienten und schmucken Neubau bekommen, der im Übrigen weit mehr ist als ein Bürogebäude. „Wir haben durch die Zusammenlegung aller Anlaufstellen künftig Zulauf von Einwohnern des gesamten Landkreises“, schildert Ruhe. In erster Linie seien da die Besucher der Abfallwirtschaft (ALW) zu nennen. Hinzu kommen Gebührenstelle und Sonderkasse, wo unter anderem die Bestellung neuer Abfallbehälter möglich sein wird. „Selbstverständlich ist vieles auch digital machbar, aber es kommen doch viele Leute immer noch persönlich vorbei.“

Der Tiefbaubetrieb (TLW) hingegen bleibt mit seinen 38 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gegenüber an der Wendessener Straße. Mit umziehen werden aber der Breitbandbetrieb (BLW) mit zehn Mitarbeitenden sowie die Netzgesellschaft Braunschweiger Land (NG-BL). „Wir haben künftig eine ganze Fülle verschiedener Ansprechpartner unter einem Dach: Die bisherigen dezentralen Strukturen abzuschaffen, war ein ganz wesentlicher Grund für den Neubau.“ Aus diesem Grund gebe es auch ein ausgeklügeltes Leitsystem mit digitalen Informationen für die Besucher.

Rund 2000 Quadratmeter hat das Eckgrundstück In den Schönen Morgen 1. Sobald der Altbau verschwunden ist, entstehen auf der Freifläche 51 Stellplätze für Fahrzeuge der Mitarbeiter und Besucher. Zwei davon werden mit Ladestationen ausgestattet und sollen öffentlich nutzbar sein, „wahrscheinlich sogar unabhängig von unseren Öffnungszeiten“, sagt Torsten Ruhe. Außerdem werden Hecken und Bäume gepflanzt, der alte Zaun kommt weg. „Das Ganze wird viel offener und freundlicher aussehen.“

Der Neubau hat eine Grundfläche pro Geschoss von etwa 500 Quadratmetern, das macht für alle drei Etagen (inklusive Keller) zusammen rund 1.200 Quadratmeter Nutzfläche. „Wir haben uns viele Gedanken über die Barrierefreiheit gemacht“, schildert der Chef. Alle Bürotüren seien in der Breite rollstuhlgerecht, es gebe einen Aufzug, der Eingang verfüge über eine Windschleuse mit zwei automatischen Schiebetüren, und selbst die kleinste Schwelle sei vermieden worden. „Zudem werden sehbehinderte Menschen über taktiles Pflaster zum Gebäude geleitet, das bis in den Windfang fortgesetzt wird. Ein haptisches Tableau sorgt im Wartebereich dafür, dass auch diese Kunden die richtige Kontaktperson finden. Am Schluss war der Behinderten-Beirat mit unseren Plänen sehr, sehr einverstanden.“

Zunächst 27 Arbeitsplätze sind vorgesehen, spätere Verdichtung nicht ausgeschlossen. Außer den Büros gibt einen großen Einweisungsraum für die täglichen Touren der Fahrer und Mitfahrer. „Hier können auch Veranstaltungen stattfinden“, blickt Torsten Ruhe voraus. Daher wird moderne Kommunikationstechnik zum Einsatz kommen, so u.a. ein multifunktionaler Bildschirm (98 Zoll Diagonale). Informationsabende der Netzgesellschaft, Sitzungen des Betriebs-Ausschusses und vieles mehr: „Wir habe eigens die Möglichkeit geschaffen, von diesem Raum aus auch den Außenbereich mit einzubeziehen.“

Die größte Entwicklung im Vergleich zu den 60er-Jahren wird jedoch im Untergeschoss deutlich. Dort befinden sich (abgeschottet durch ein System von Zugangsberechtigungen) die Umkleiden und Duschen der 65 Müllwerker des Abfallbetriebs. „Diesen Kollegen einen zeitgemäßen Rahmen zu schaffen, das war ein Hauptgrund für diesen Neubau“, unterstreicht der Geschäftsführer, „das Ambiente ist aber auch eine Frage der Wertschätzung für die Kollegen.“ Für alle gibt es zwei Umkleiden, geteilt in „Weiß“ und „Schwarz“: In Zivil kommen sie morgens und ziehen sich in „Weiß“ um, gehen dann in „Schwarz“ und schlüpfen in ihr Arbeitsdress. Daneben gibt es einen Trockenraum für Textilien, falls es mal wieder stark geregnet hat.

 „Ich habe mir vorgestellt, was ich mir hier wünschen würde“, erklärt Ruhe. Außerdem befand sich sein Planungsteam im engen Austausch mit dem Personalrat, der schließlich ganz begeistert war. Es gebe schicke langlebige Oberflächen, eine freundliche und ansprechende Beleuchtung – das erinnert fast ein wenig an ein Fitness-Studio. „Dabei haben wir überall einen durchschnittlichen Standard gewählt“, bestreitet er einen Luxus-Ausbau. Hochwertiges wurde nur für die Fassade, die Fenster und die Dämmung mit Blick auf die Senkung der Betriebskosten verwendet.

 Ein starkes Signal setzen die Wirtschaftsbetriebe allerdings auch auf dem Gebiet der Energetik. Das neue Haus wurde eigens mit Flachdach geplant, um großflächig Photovoltaik verlegen zu können. „Den Strom wollen wir selbst nutzen, und zwar für unsere Wärmepumpe.“ Sollte Strom übrig bleiben, zum Beispiel im Sommer, werde er ins öffentliche Netz eingespeist.

 Die Wärmepumpe ist für Kenner ebenfalls ein Schmankerl. Es handelt sich um eine Sole-Wasser-Wärmepumpe (Geothermie), für die neun Bohrungen bis auf knapp 100 Meter Tiefe gesetzt wurden. In diesem Erdsonden-Feld findet der Wärmeaustausch statt. „Wir haben unser gesamtes Energie-Konzept verbessert und sparen deutlich ein.“

 Torsten Ruhe ist stolz, bedankt sich aber in erster Linie bei seinem Planungsteam, das einen „super Job“ gemacht habe. Und auch die Wolfenbütteler Firma Kümper und Schwarze habe bei der Erstellung des Rohbaus tadellos gearbeitet. Was sagen die neuen Bewohner des Hauses zu den ersten Eindrücken?

 „Alle Kollegen freuen sich total auf den Neubau“, versichert ALW-Werksleiterin Sandra Wehr. Ihr lag bei den Planungen vor allem daran, die Situation der Müllwerker im Haus zu verbessern. „Da haben wir jetzt eine enorme Entwicklung hinbekommen.“ Auch das Nebeneinander von Verwaltung und Müllwerkern musste dringend geändert werden. „Wir saßen zuletzt ganz schön eng aufeinander.“

 BLW-Werksleiter Peter Scheer hingegen ist der Zusammenzug ein wichtiges Anliegen: „Wir sitzen ja immer noch in der Außenstelle Dietrich-Bonhoeffer-Straße, und diese Situation hat viele Abläufe erschwert.“ Endlich in ein gemeinsames Gebäude zu ziehen, werde vieles verbessern – „prozesstechnisch und organisatorisch“. Darauf habe seine Abteilung mit Finanzen, Controlling, Logistik und Verwaltung lange gewartet. „Wir freuen uns riesig auf den Umzug.“