Rund 21 Prozent der sechs- bis neunjährigen Kinder in Deutschland besitzen bereits ein eigenes Smartphone. In der Altersgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen sind es dann 86 Prozent, bei den 13- bis 15-Jährigen 95 Prozent. Der Anteil der Smartphone-Besitzer unter den 16- bis 18-Jährigen beläuft sich auf 96 Prozent. Die intelligenten Mobiltelefone sind für viele ein wichtiger Teil des alltäglichen Lebens geworden. Zu den beliebtesten Funktionen gehören das Hören von Musik, das Schauen von Videos, das Surfen im Internet, die Kamerafunktion des Smartphones und die Nutzung von Kurznachrichtendiensten wie WhatsApp oder Facebook Messenger.

Aber was macht das mit den Kindern, besonders den kleineren? 

Hirnforscher und Kinderärzte warnen immer wieder vor zu früher und zu langer Handynutzung kleinerer Kinder. Dauerbeschuss mache das beste Hirn nicht mit. Etliche Studien belegen: Je höher der Medienkonsum sei, desto schwächer die Leistungen in den Schulen. Der Präsident des deutschen Kinder- und Jugendärzteverbands, Thomas Fischbach, sprach von katastrophalen Folgen für die kindliche Entwicklung. Eltern würden ihren Kindern demnach nicht mehr beibringen, zu spielen oder sich sinnvoll zu beschäftigen, sondern parkten den Nachwuchs zunehmend vor den Geräten. „Teilweise am Essenstisch! Ein furchtbarer Trend“, findet Fischbach. Er sieht darin einen der Hauptgründe, warum Kinder immer häufiger an Konzentrationsschwäche litten. Er fordert deshalb: Kein Handy vor elf Jahren!

Auch der bekannte Braunschweiger Neurobiologe Manfred Korte beschäftigt sich mit den Gefahren von Smartphone und Tablet. „Zu viele Informationen auf einmal stören das Denken, die Informationsgewichtung gelingt nicht.“ Stressbelastung und Fehleranfälligkeit nähmen zu.

„Schaufenster“ ging dieser Frage, die in vielen Familien ein strittiges Dauerthema darstellt, in Wolfenbüttel nach und hörte sich in einigen Grundschulen der Stadt um. Hier zwei Stellungnahmen hiesiger Schulleiterinnen zu diesem Thema:

Birgit Oppermann, Rektorin der Grundschule Harztorwall

An unserer Schule gibt es ein Handyverbot, welches alljährlich neu überdacht, diskutiert und beschlossen  wird. Im 1./2. Schuljahr haben nur einzelne Kinder ein Handy, in den Klassenstufen drei und vier besitzt  knapp die Hälfte der Kinder ein Smartphone. Das Elternverhalten wird beobachtet und wurde über Informationsangebote (z.B. pädagogische Elternabende) begleitet. Derzeit befinden wir uns etwas im „Nachcoronazeit-Stillstand“. Ich verteufele weder Handys noch andere digitale Medien, aber ich setze im Unterricht nur ein, was sich durch uns Lehrkräfte steuern lässt und dazu gehören private Handys nicht.

Britta Siebert, Grundschule Karlstraße

Generell hat jede technische Errungenschaft Vor- und Nachteile. Kinder können durch Smartphones und Tablets heute schon sehr früh mit Anwendungsprogrammen umgehen; in der Zeit des Lockdowns haben wir gern die ANTON-
App genutzt, um den Kindern motivierendes Üben während des Homeoffice ihrer Eltern zu ermöglichen, bei dem diese entlastet werden. Diese App nutzen wir gern weiter und haben erlebt, wie einzelne Kinder aus Haushalten, in denen nicht oder nur wenig Deutsch gesprochen wurde, sogar das Lesen verbessert haben. 

Zudem gibt das Handy vielen Eltern Sicherheit, wenn sie ihr Kind allein auf den Schulweg schicken. Bei uns in der Schule muss das Handy ausgeschaltet sein, wenn es denn unbedingt dabei sein muss. Wir setzen neben digitalen Lernformen noch immer viel auf analoge Lernformen (Vokabelhefte und Vokabelkarten, LÜK-Kästen…). Die Mischung macht‘s.

In den ersten und zweiten Klassen hat vielleicht jedes 4. Kind ein eigenes Smartphone. Meist sind es ältere von den Eltern abgelegte Modelle. In der 3. und 4. Klasse nimmt das zu. Zur 5. Klasse hin hat der überwiegende Teil ein eigenes Handy. Alles, was im Übermaß konsumiert wird, wirkt sich auf die Leistung aus. Das gilt natürlich auch für den Gebrauch von Tablets und Smartphones. Wenn Kinder übernächtigt wirken, und wir das im Gespräch auf starken Medienkonsum zurückführen können, führen wir Beratungsgespräche.  An einem Präventionstag im Jahr beschäftigt sich jede Klasse auch altersgemäß mit Medienkonsum. Unser Sozialarbeiterteam unterstützt dabei auch Eltern und Lehrerinnen. 

Auffällig ist, dass sich Kinder auf jeden Fall weniger selbst beschäftigen können und schneller langweilen als früher, weil u.a. die Beschäftigung mit Smartphone und Co. in jedem ruhigen Moment Zuhause für Abwechslung sorgt. Zudem merkt man es Kindern an, wenn sie wenig oder gar nicht Zuhause ein Smartphone nutzen. Sie sind kreativer und beweglich geschickter, wirken fröhlicher. Vereinzelt werden von Kindern Videos geschaut, die nicht jugendfrei sind und vor allem Gewaltszenen beinhalten. Die Kinder verarbeiten das oft nicht. Man merkt es in vermehrter Aggression oder sich immer wiederholenden Erzählungen über das Gesehene, das so verarbeitet wird. Unsere Sozialpädagogen leisten hier wertvolle Arbeit.

Was sich ganz offensichtlich auch auswirkt, ist der Smartphonegebrauch der Eltern. Nicht wenige warten auf ihre Kinder mit Smartphone, holen die Kinder telefonierend ab und sind mehr mit dem Handy beschäftigt als sich im Gespräch mit ihrem Kind über den Tag auszutauschen.  Wir können schon feststellen, dass es für viele Kinder zunehmend schwer ist, sich über längere Zeiträume zu konzentrieren. Das Smartphone ist aber mit Sicherheit nur ein Aspekt, der dazu führt. Ernährung, Bewegungsmangel, schnellere Bildfolgen in Filmen, schnellere Songs und vor allem viele Sinneseindrücke im Alltag, die prägnanter geworden sind, gilt es zu verarbeiten. Das muss man erst lernen und bewusstes Fokussieren üben. 

Die Kommunikation hat sich tatsächlich durch das Smartphone auch geändert. Vielfach bestehen in Elternkreisen WhatsApp-Gruppen, in denen zu schulischen Themen diskutiert wird. Das geschieht auf eine Weise, die aus kleinen Dingen oft eine große Sache macht. Als Schule unterstützen wir keine WhatsApp-Gruppen. Es gibt viele Eltern, die sehr stark auf den Medienkonsum ihrer Kinder achten, diesen zeitlich und inhaltlich einschränken. Oft erwecken diese Kinder bei ihren Eltern den Eindruck, sie seien die Einzigen, die kein Handy nutzen oder bestimmte Serien nicht sehen dürfen. Das ist natürlich nicht so. Viele Eltern leisten eine sehr wertvolle Erziehungsarbeit im Umgang mit neuen Medien. Und das ist weiß Gott aufgrund der Vielfalt nicht einfach heute. 

Natürlich gibt es auch Eltern, die das Smartphone, Spielkonsolen und TV aus ganz unterschiedlichen Gründen als „Babysitter“ benutzen oder selbst diese Medien viel nutzen und sich nicht eingestehen wollen, dass das schaden könnte. Hier hoffen wir, dass es uns gelingt, den Kindern in der Schule Alternativen aufzuzeigen und sie beim kritischen Umgang mit Medien zu unterstützen. Auf unseren Elternabenden wird das Thema Handys und Medienkonsum immer wieder thematisiert.  Miteinander über Medienkonsum ins Gespräch zu kommen, das ist das Wichtigste. Kinder können sehr gut verstehen, was Eltern ihnen erklären. Natürlich wollen sie manchmal ihre Grenzen austesten. Und manchmal ist es eben auch so, dass man bei Freunden Eltern mit einer anderen Auffassung diesbezüglich erlebt. Auch hier hilft es, offen mit den eigenen Kindern zu kommunizieren. 

Eine begrenzte, kurze Zeit am Handy/Tablet kann man je nach Alter und Entwicklung im Grundschulalter erlauben, sollte man sogar, um das Kind nicht gänzlich auszuschließen. Aber man muss eben auch sehr genau schauen, welche Inhalte konsumiert werden, und das geht am besten gemeinsam.  Viele Inhalte kann man natürlich sperren. Kindgerechte Suchmaschinen benennen wir den Eltern und Kindern und trotzdem ist die vielfältige Medienlandschaft herausfordernd und erfordert einen guten Überblick. 

Abends sollte das Smartphone auf keinen Fall ins Kinderzimmer mitgenommen werden und auch möglichst zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen nicht mehr benutzt werden, um gut schlafen zu können und ausgeruht in den neuen Tag gehen zu können.

Das Smartphone gehört heute zum Alltag. Es komplett zu verbieten, wäre kontraproduktiv, aber vielleicht finden viele Familien auch durch Brettspiele wieder mehr zueinander, als wenn alle zeitgleich am Smartphone daddeln. Gemeinsam wieder mehr miteinander und füreinander da sein. Das Handy mal zur Seite legen. Das wünsche ich mir für unsere Kinder und auch für uns Erwachsene.