Sie sind so etwas wie der unsichtbare Herzschlag eines Ortes – die Kirchenglocken. In Wendessen wurden am gestrigen Sonnabend, 29. April, zwei neue Glocken begrüßt, geweiht und im Rahmen einer festlichen Veranstaltung in den Kirchturm gehängt.
Der Wendesser Ortsheimatpfleger Erich Isensee lässt seit über zwanzig Jahren keine Gelegenheit aus, um bei Versammlungen mit dem Ortsrat oder dem Kirchenvorstand zu mahnen: „Denkt an unsere Kirchenglocken! Sie halten nicht ewig!“ Recht hat er. Denn während Bronzeglocken über zweihundert Jahre schadlos im Glockenstuhl hängen können, besteht bei Glocken aus Eisenhartguss die Gefahr, dass diese reißen und von einem Tag auf den nächsten ihren Klang verlieren. Die beiden Glocken im Turm der Wendesser Kirche wurden 1948 gegossen, und zwar aus Eisenhartguss, da nach dem Krieg Geld und Material knapp waren. Es bestand also Handlungsbedarf.
Noch vor Corona beschloss man in der Hauptversammlung des Kirchbauvereins, dass das Projekt „Neue Glocken“ gestartet werden müssen. Zusammen mit dem Landeskirchenamt und der Kirchengemeinde Ahlum-Atzum-Wendessen wurde alles in die Wege geleitet – und diese Wege würden steinig werden, wie sich bald zeigte.
Im ersten Schritt prüfte aber erst einmal ein Glockensachverständiger den Zustand der alten Glocken. Er weiß, wie groß die neuen sein müssen und – auf welchen Ton sie gestimmt werden. Denn dieser muss stets annähernd der gleiche sein, damit sich die Bürger eines Ortes nicht erschrecken oder zumindest irritiert sind. Kleine Anekdote am Rande: Nicht nur die menschlichen, auch die tierischen Bewohner Wendessens sind derart an den Klang und den exakten Zeitpunkt des Läutens gewohnt, dass etwa die hier lebenden Rinder immer zur gleichen Zeit beim Läuten die Futtertröge aufsuchen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sich da etwas änderte …
Die Glocken der St.-Georg-Kirche sind übrigens harmonisch auf die Töne E und G gestimmt und wiegen beeindruckende 1.200 und 780 Kilogramm. Auf Grundlage dieser Zahlen wurden im September vorigen Jahres die beiden Glocken im westfälischen Gescher schließlich gegossen und der Segensspruch graviert, begleitet von einer kleinen Wendesser Reisegruppe, bei der auch einige der Spender anwesend waren.
Denn ohne Spenden, so die Vorsitzende des Kirchbauvereins St. Georg Ulrike Jungkurth wäre dieses Herzens-Projekt der Wendesser nicht zu stemmen gewesen: „Bedingt durch den Krieg in der Ukraine sind die Kosten für die Glocken um exakt das Doppelte gestiegen, was uns wirklich große Sorgen bereitet hat.“ Ohne finanzielle Unterstützung wäre das Projekt klar gescheitert, erzählt die engagierte Vorsitzende, die mit den Vereinsmitgliedern regelmäßig Konzerte in der St.-Georg-Kirche organisiert, deren Erlöse seit zwanzig Jahren dem Erhalt der alten Kirche – und seit 2019 auch dem Kauf der Glocken – dienen. Doch nicht nur die Konzertbesucher trugen ihren Teil bei, berichtet Ulrike Jungkurth: „Mich hat es wirklich sehr gerührt, dass Wendesser Bürger, aber auch Menschen, die hier gar nicht leben, derart großzügig gespendet haben! Wir sind sehr dankbar dafür und sehen diese Spendenbereitschaft nicht als selbstverständlich an!“
Nun also wurden die beiden neuen Glocken feierlich in Wendessen begrüßt – geschmückt mit Buchsbaumgirlanden und musikalisch bis ins Zentrum des Ortes begleitet. Dort gab es zunächst einen Sekt und dann einen Gottesdienst, den Pastorin Julia Jansen und Bischof Dr. Christoph Meyns gestalteten. Für die musikalische Begleitung sorgten der Ahlumer Posaunenchor, Kantor Hans-Hermann Haase an der Orgel und der Ahlumer Frauenchor Harmonia. Im Anschluss daran versammelten sich alle Gäste am historischen Spritzenhaus, von wo aus das anschließende, beindruckende Geschehen der mit Hilfe eines Krans nach oben schwebenden Glocken am besten zu sehen war. Dazu gab es Erbsensuppe und Getränke, Musik und eine Hüpfburg sowie Spiele für die Kleinsten im Kirchgarten.
Vor allem aber gab es viele Geschichten. Fü alle, die noch mit dem Klang der alten Wendesser Glocken aufgewachsen sind: eine wird ihren neuen Platz übrigens im Kirchgarten finden wird. Und damit der alte Ton nicht verloren geht, kann man ihn auf der Homepage des Vereins jederzeit anhören: www.kirchbauverein-wendessen.de
Wendessen dankt den Sponsoren: Hans und Helga Eckensberger Stiftung (12.500 Euro); Stiftung Zukunftsfonds Asse (5.000 Euro); Braunschweigische Sparkassen Stiftung, Curt Mast Jägermeister Stiftung sowie zahlreichen großzügigen Wendesser, Wolfenbütteler, Braunschweiger und Goslarer Bürgern!