Gute Vorbereitung erleichtert das Leben. So lässt sich der Rot-Kreuz-Einsatz vomSamstag am Exer zusammenfassen. Rund um das neunstündige Festival „Stars@NDR2“ in Wolfenbüttel waren zirka 100 ehrenamtliche Helfer aus den DRK-Kreisverbänden Braunschweig, Salzgitter, Helmstedt, Peine und Goslar zusammengekommen, um die 20.000 Besucher abzusichern. Mit 69 Hilfeleistungen und drei Transporten ins Krankenhaus hielten sich die Notfälle in Grenzen. „Wir hatten uns wegen der großen Hitze auf deutlich mehr Probleme eingestellt“, sagte Heiner Schumacher vom Kreisverband Wolfenbüttel, der die DRK-Einsatzleitung innehatte.

„Ich bin stolz auf euch alle“, versicherte Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink bei seinem Rundgang durch die Basislager von Polizei, Feuerwehr, THW und Rotem Kreuz. Tatsächlich hatten die Helfer gerade vor dem Startschuss alle Hände voll zu tun. Die Technik musste eingerichtet und ortsfremde Kollegen mussten in die Situation am Exer eingewiesen werden. „Sobald unsere Streifen einen Notfall melden, muss jeder wissen, was und vor allem wo was zu tun ist“, erläuterte Schumacher die Schwierigkeit. Alle Retter waren mit GPS-Sender ausgestattet. In der Einsatzzentrale saß das Team von Olaf Kleint, Leiter der Kreisbereitschaft Braunschweig-Salzgitter an sechs Monitoren. „Hier treffen wir die taktischen Entscheidungen und lotsen die richtigen Mitarbeiter zu ihrem Einsatzort.“

Der erste Einsatz war ein Wespenstich. Neben solchen Kollisionen mit Insekten standen Kreislaufprobleme wegen der Hitze ganz oben auf der Einsatzstatistik. Außerdem musste ein Mann versorgt werden, nachdem die Polizei bei einem Einsatz auf Pfefferspray zurückgegriffen hatte. Deutlich später kam es nach dem letzten Bühnenauftritt auf dem Gelände unter Zurückgebliebenen zu einer Schlägerei. „Einen der Männer mussten wir mit einer Platzwunde ebenfalls ins Krankenhaus bringen“, berichtete Schumacher.

Im Übrigen blieb er bei seiner Einschätzung: „Alkohol war noch nie ein Problem bei diesem Festival, das ja eher als Familienevent ausgerichtet ist.“ Dafür hatten die Helfer viele fröhliche Kontakte mit den entspannten Besuchern. So wie Ralf Luthien und Tobias Rehman aus Halchter. Luthien schleppte einen Kanister mit 25 Litern Leitungswasser auf dem Rücken und hatte auch Trinkbecher dabei – das Duo wurde von allen Seiten angesprochen. „Wir versorgen die Leute, deren Wasservorräte zur Neige gegangen sind“, sagte Luthien lachend, „auch wenn manch einer lieber ein Bier von uns hätte. Sogar Jägermeister haben sie bei uns schon bestellt.“ Luthien hatte sichtlich Spaß auf Streife. Eigentlich war er nur für den Aufbau der Technik eingeteilt, doch dann schnappte er sich am Nachmittag spontan die mobile Trinkstation. „So kann ich mir ein bisschen die Beine vertreten.“

Damit hatte Enno Deuter vom DRK Helmstedt kein Problem. Der 34-Jährige steuerte eins der beiden Quads über den Exer, also einen geländegängigen Zweitsitzer, mit denen der Notarzt schnellstmöglich zu den Patienten gebracht wird. „Ich fahre privat auch so ein ATV und bin immer wieder überrascht, welche Hindernisse man damit meistern kann“, erzählte er. Schlamm, Schrägen, tiefes Wasser: kein Problem. „Wir waren kürzlich extra im Geländeparcours, um die Grenzen der Maschine auszuloten.“

An ihre persönlichen Grenzen stießen allerdings auch einige DRK-Helfer am Exer. Drei von ihnen hatten ihrerseits Kreislaufprobleme und begaben sich in die Obhut der Kollegen. Der entspannte Nachmittag wurde für viele Rotkreuzler einzig getrübt durch lange Diensthosen und dicke Stiefel mit Stahlkappen. „Beides müssen wir aus versicherungstechnischen Gründen tragen“, erklärte Rainer Elsner. Der Sicherheitsbeauftragte der DRK war diesmal als Ersthelfer im Einsatz und verstärkte die Streifen, die über das weitläufige Gelände patroullierten.

Die bittere Wahrheit: Einsätze bei Großereignissen bestehen zu 90 Prozent aus Warten. „Es ist immer ein Spagat in der Vorbereitung“, sagte Heiner Schumacher. „Einerseits muss man genug Leute hier haben, um für den schlimmsten Fall gerüstet zu sein. Andererseits sollen sich die Leute nicht langweilen, weil sie ja hier ihre Freizeit opfern.“ Selbstverständlich sei niemand sauer, wenn kein Notruf eingehe. „Aber wir müssen immer die Motivation der Gruppen im Auge haben.“ Wegen der Hitzegefahren hatte die Einsatzleitung etwa ein Drittel mehr Helfer angefordert als beim Festival 2015. Damals liefen knapp 60 Notrufe ein.

Für Schumacher ist jede Wiederholung – für 2019 wurde das vierte NDR-Festival bereits angekündigt – eine neue Herausforderung. „Wir müssen uns jedes Mal auf neue Rahmenbedingungen und Probleme einstellen. Diesmal war es die Hitze.“ Schön sei es, wenn ein Plan funktioniere und alles glatt gelaufen ist, so wie in diesem Jahr.

Aber es gab auch Einsätze, die sprachlos machten. Sibylle Schumacher vom Kriseninterventionsteam (KIT) des DRK war mit ihrer Gruppe am Exer und kümmerte sich um mehrere Kinder, die im Abreisetrubel von ihren Familien getrennt worden waren. Allesamt wurden intensiv bespaßt und konnten schließlich lachend an ihre Eltern übergeben werden. Nur eine Frau mit Behinderung wartete stundenlang vergeblich beim KIT. „Sie war mit anderen Braunschweigern unterwegs gewesen, doch niemand meldete sich bei uns“, wunderte sich Sibylle Schumacher. Am Ende informierte sie telefonisch die Mutter, die ihre Tochter mit dem Auto abholte. „Offenbar hatte der Betreuer die Frau aus den Augen verloren“, schilderte die KIT-Leiterin, „sich dann aber weiter keine Gedanken gemacht.“