Seit zweieinhalb Monaten befindet sich Niedersachsen im Kampf gegen das Corona-Virus und sein Risiko für tausende Menschenleben. Um das zunächst auch in Niedersachsen intensive Infektionsgeschehen abzumildern und um eine Überforderung unseres Gesundheitssystems zu verhindern, hat die Landesregierung den Menschen und der Wirtschaft in Niedersachsen seit Mitte März zahlreiche Einschränkungen auferlegen müssen.

Mit am härtesten waren und sind für viele die Beschränkungen der direkten Kontakte auf ein absolutes Minimum, das Schließen von KiTas, Schulen und Spielplätzen, das Besuchsverbot in Alten- und Pflegeheimen. Viele Geschäfte mussten vorübergehend schließen und anschließend ihre Verkaufsflächen drastisch reduzieren, Restaurants und Friseure und viele andere köpernahe Dienstleistungen mussten ihren Betrieb einstellen. In Kirchen, Synagogen und Moscheen durften keine religiösen Versammlungen abgehalten, Sportanlagen konnten nicht genutzt werden.

Seit Anfang April gehen die täglichen Meldungen von Neuinfizierten langsam wieder zurück. Der niedrigste Werktageswert mit 50 Neuinfektionen wurde am 27. April 2020 registriert.

Als Bewertungskriterium für die jeweilige Lage wird auch die Reproduktionszahl R, also die Zahl der Personen, die im Durchschnitt von einem Fall angesteckt werden, herangezogen. Mit Datenstand 01.05.2020 hat das RKI die Reproduktionszahl auf R = 0,79 (95%-Prädiktionsintervall: 0,66-0,90) geschätzt. Das bedeutet, dass zehn mit SARS-CoV-2 infizierte Personen etwa sieben bis neun weitere Personen angesteckt haben. Für Niedersachsen kam das RKI am 30. April auf 0,7 (95%-Konfidenzintervall: 0,6-0,9).Obwohl die Schätzung der Reproduktionszahl immer schwieriger und ungenauer wird, je kleiner die Fallzahlen werden, sieht die Landesregierung eine deutliche und nachhaltige Entspannung im Infektionsgeschehen in Niedersachsen. Auch die Zahl der in den Krankenhäusern und insbesondere auf den Intensivstationen behandelten Patientinnen und Patienten ist weiter rückläufig:

Angesichts dieser erfreulichen Entwicklung in Niedersachsen, hat die Landesregierung jetzt einen Plan aufgestellt, wie auf dieser Grundlage schrittweise viele Einschränkungen reduziert werden können. Zusammen mit Fachleuten aus mehreren Ressorts wurde ein Stufenplan erarbeitet: der ‚Niedersächsischer Weg in einen neuen Alltag mit Corona‘. Es handelt sich um das bundesweit erste Gesamtkonzept dieser Art.

Dabei wurden die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche wie Kita und Schule, Handel und Dienstleistungen, Gastronomie und Touristik, aber auch private Kontakte, Kultur, Sport und Freizeit und die Versammlungen neben- und übereinandergelegt. Bewertet wurde auch, welche Lockerungen nach welchem Zeitablauf gleichzeitig vertretbar erscheinen. Grundlage bleibt dabei der Infektionsschutz. Ausdrücklich wird auch darauf hingewiesen, dass bei einem verstärkten Infektionsgeschehen auch Verschärfungen erneut möglich sein können.

„Der ‚Niedersächsische Weg in einen neuen Alltag mit Corona‘ soll“, so Ministerpräsident Stephan Weil, „den Menschen in unserem Land einigermaßen verlässliche Perspektiven für die nächsten Wochen geben. Nach all den Belastungen und Unsicherheiten haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf, zu erfahren, wann welche weiteren Lockerungsmaßnahmen zu erwarten sind, wenn sich das Infektionsgeschehen weiterhin so moderat entwickelt wie bisher.“

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann ergänzt: „Wir versuchen, den Menschen in Niedersachsen schrittweise wieder mehr Möglichkeiten zum sozialen Miteinander und zum wirtschaftlichen Handeln zu geben, ohne dabei eine gefährliche Erhöhung der Zahl der Neuinfektionen zu riskieren.“

„Es bleibt unser gemeinsames Ziel, die Kapazitätsgrenze für die Intensivmedizin nicht zu überschreiten“, erklärte Gesundheitsministerin Carola Reimann.

Der Niedersächsische Weg enthält insgesamt fünf Stufen. Stufe 1 läuft bereits. Sie umfasst einige Maßnahmen, die bereits mit der letzten Änderung der ‚Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus‘ umgesetzt worden sind sowie die am letzten Mittwoch beschlossenen Lockerungen. Stufe 2 soll Mitte Mai realisiert werden, sofern die Neuinfektionszahlen und die Krankenhausbelegung weiter niedrig bleiben. Stufe 3 soll nach bisherigen Planungen kurz vor Pfingsten, also Ende Mai, umgesetzt werden. Die zeitliche Abfolge der weiteren Stufen wurde bewusst noch nicht festgelegt.

Bei der Entscheidung über die einzelnen sukzessive denkbaren Lockerungen von Freiheitsbeschränkungen wurde jeweils der mit einer Maßnahme verbundene Infektionsschutz in Relation gesetzt zu den gleichzeitig eintretenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schäden.

Dazu Ministerpräsident Stephan Weil: „Es geht uns um eine Strategie, die ebenso vorsichtig, wie zielstrebig wieder halbwegs normale Verhältnisse schafft, bis das Virus durch einen wirksamen Impfstoff vollständig beseitigt werden kann. Beschränkungen die nur einen vergleichbar niedrigeren Nutzen für den Infektionsschutz bringen, aber mit einem hohen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Schaden verbunden sind, sollen als erstes angegangen werden. Außerdem war abzuwägen, welche und wie viele Lockerungsmaßnahmen auf einer Stufe zusammenkommen dürfen, ohne dass die Zahl der Begegnungen von Menschen jenseits des eigenen Hausstandes in einer nicht mehr zu verantwortenden Weise steigen würde.“

Auch Wirtschaftsminister Althusmann plädierte für ein umsichtiges Vorgehen: „Motor für unsere Entscheidungen zugunsten einer weiteren Öffnung von Wirtschaftsbereichen sind natürlich die Belastungen der Unternehmerinnen und Unternehmer und der Beschäftigten in Niedersachsen, aber stets auch die jeweiligen Ansteckungsgefahren. Einige Bereiche können deshalb bald wieder geöffnet werden, andere müssen im Interesse der Virusbekämpfung noch länger warten. Hier werden wir auch weiterhin mit staatlichen Geldern Unterstützung leisten.“

In der Regel sollte zwischen den Stufen genug Zeit liegen, um die Wirkung auf das Infektionsgeschehen erfassen zu können. Erst wenn die dann vorliegende Zahl der Neuinfektionen überschaubar bleibt und die Intensivkapazitäten perspektivisch weiter ausreichen werden, kann die nächste Phase eingeleitet werden.

Die geplanten Lockerungen setzen voraus, dass in allen Bereichen strenge Hygienevorgaben und Mindestabstände eingehalten werden. Mund-Nase-Bedeckungen werden wohl in allen Stufen weiterhin Pflicht bleiben – beim Einkauf und in Bussen und Bahnen.

Direkte persönliche Kontakte müssen leider auch weiterhin auf ein Minimum reduziert werden. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die persönlichen Kontaktbeschränkungen die Ausbreitung des Infektionsgeschehens bislang mit am stärksten eingedämmt haben. Ebenso wie bei anderen Maßnahmen wird die Landesregierung hierzu aber zunächst die Diskussion in der nächsten Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch abwarten, bevor die Entscheidung über eine weitere Veränderung der niedersächsischen Rechtsverordnung abschließend getroffen wird.

Kultusminister Grant Hendrik Tonne stellte einen Phasenplan-KiTa zur schrittweisen Erweiterung der Kinderbetreuung vor. So ist es seit Mittwoch, 6. Mai 2020, möglich, private Betreuung für bis zu fünf Kinder zu organisieren. Zudem können Tagesmütter und Tagesväter wieder betreuen. In den nächsten Phasen wird die Notbetreuung sukzessive ausgeweitet, Zudem sollen gesonderte Angebote für Vorschulkinder an Nachmittagen und nach und nach für alle Kinder eingerichtet werden. Tonne: „Ich möchte, dass alle Kinder die Chance erhalten, ihre Erzieherinnen und Erzieher wieder zu sehen und mit ihren Freundinnen und Freunden zu spielen – wenigstens ein paar Stunden zu Beginn. Das geht mit unserem Phasenplan, der Betreuung und Gesundheitsschutz miteinander verbindet.“

Für die Schulen liegt bereits ein Plan für ein schrittweises Aufwachsen des Präsenzunterrichts vor. Tonne bedankte sich bei den Eltern, den Erzieherinnen und Erziehern und bei den Lehrkräften für ihr großes Engagement unter schwierigen Bedingungen. Die Kinder und Jugendlichen erinnerte er: „Bitte unbedingt die Abstands- und Hygieneregeln einhalten!”

Gesundheitsministerin Carola Reimann erklärte: „Wir haben die Situation in unseren Krankenhäusern derzeit gut im Griff. Wir haben freie Kapazitäten. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen, den niedersächsischen Krankenhäusern ab dem kommenden Mittwoch wieder zu erlauben, die sogenannten elektiven Eingriffe, also planbare Operationen, vorzunehmen. Die Rehakliniken können den Betrieb ab dem 11. Mai wieder aufnehmen.“

Das sei eine gute Nachricht für die Patientinnen und Patienten, die sich nun wieder wie gewohnt in Behandlung begeben können“, so Reimann. „Gleichzeitig gehen wir dabei sehr vorsichtig vor und führen ein atmendes Sicherungssystem ein.“