Die derzeitige Situation in den Familien ist für viele mittlerweile zu einer enormen Belastung geworden, und viele Eltern sind an ihren Grenzen angelangt oder bereits darüber hinaus gegangen. In ganz Deutschland und somit auch in Niedersachsen und speziell auch in Wolfenbüttel sind die Kitas und Schulen zur Pandemieeindämmung seit knapp sieben Wochen geschlossen. Zwar haben die Schulen nun mittlerweile für einige Abschlussjahrgänge wieder geöffnet, die meisten Grundschüler und insbesondere die Kita-Kinder müssen aber noch immer Zuhause betreut werden – abgesehen von den vereinzelten Kindern, die einen Notbetreuungsplatz erhalten haben. In den ersten Wochen nach den Schul- und Kitaschließungen war das Verständnis der meisten Familien für diese politischen Entscheidungen sehr hoch. Über einen gewissen Zeitraum sind solch extreme Situationen für die meisten auch zu bewerkstelligen gewesen. Aber die Erkenntnis darüber, dass diese Extremsituation für viele Familien nun insgesamt fast ein halbes Jahr andauern soll, stößt bei vielen auf Unverständnis, Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Gerade die ganz Kleinen, die eine hohe Aufmerksamkeit von Erwachsenen benötigen, müssen mit ihren Eltern Zuhause bleiben. Das bedeutet für die Familien eine sehr starke Belastung und Herausforderung. Nicht nur, dass die ungewohnte Situation Zuhause – mit der ganzen Familie, den ganzen Tag, über einen so langen Zeitraum in den eigenen vier Wänden – bewältigt werden muss; sondern vor allem auch, dass die Eltern neben dem Homeoffice auch noch die Rolle des Lehrers, Erziehers, Spielpartners und Trainers ersetzen müssen. Ganz zu schweigen von den Aufgaben, die nebenher auch noch erledigt werden müssen, wie einkaufen, kochen, aufräumen und sauber machen. Viele Eltern sind gezwungen, die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten zu nutzen, um nebenher die Kinder betreuen zu können. Dass das aber nicht immer gut funktioniert, ist offenbar nicht allen ganz bewusst. Kleine Kinder spielen nicht einfach sieben Stunden alleine, während Mama oder Papa am Laptop sitzen und arbeiten. Eltern müssen extrem kreativ werden, um beides unter einen Hut zu bekommen. Teilweise stehen die Eltern um drei Uhr nachts auf, um den Arbeitstag zu beginnen und ein wenig zu erledigen, bevor die Kinder wach sind. Weitere Arbeitsstunden werden in die Abendstunden gelegt, wenn die Kleinen wieder schlafen. Alles andere wird versucht, neben der Kinderbetreuung zu bewältigen. Andere Eltern teilen sich den Tag in Schichten auf, wenn dieses möglich ist. Wie oft die Kinder somit Sätze wie „das geht jetzt gerade nicht“ oder „später, ich kann gerade nicht“ hören müssen, mag man sich gar nicht vorstellen. Nichts kann in solchen Situationen zufriedenstellend bewerkstelligt werden. Lange kann nicht das Arbeitspensum erreicht werden, dass im normalen „Büro-Alltag“ zu bewältigen ist und das schlechte Gewissen für die halbherzige Betreuung der Kinder steigt bei vielen Eltern von Tag zu Tag. Diese Situation ist für viele Familien einfach nicht mehr zu leisten, und es droht, dass viele es nicht mehr lange durchhalten können.

Zeit zum Durchatmen bleibt für die meisten Eltern nicht. Nicht alle Eltern haben das Glück, verständnisvolle Arbeitgeber zu haben oder von Kurzarbeit ohne Lohneinbußen betroffen zu sein. Müssen dann nebenbei noch die Kinder unterrichtet werden, bräuchte der Tag eigentlich mehr als 24 Stunden. Homeschooling heißt in vielen Städten Deutschlands so viel wie: Wir schütten die Kinder mit Arbeitsblättern zu und lassen sie damit alleine. Eltern müssen die Kinder beim Lernen begleiten und bekommen dabei kaum Unterstützung von den Schulen. Auch in dieser Hinsicht fühlen sich viele Eltern einfach alleine gelassen. Einige Schüler sind sicherlich froh über die Abwechslung im Alltag und freuen sich über die Aufgaben der Lehrer. Andere Kinder müssen für jedes noch so kleine Aufgabenblatt von Seiten der Eltern motiviert oder begleitet werden. Für Kinder, die Krippen oder Kindergärten besuchen, stellt sich der Alltag hingegen mittlerweile als sehr eintönig dar. Keine Freunde, keine Großeltern, keine Kita, keine pädagogischen Angebote und keine Freizeitaktivitäten. Auch wenn jetzt nach knapp sieben Wochen die Spielplätze wieder öffnen, und das ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung ist, ersetzt dieses noch lange nicht die pädagogische Bildung, Erziehung und Betreuung der Kitas. Kitas sind nämlich nicht nur Aufbewahrungsort für die Kinder, während die Eltern arbeiten, sondern sie sind unsere erste wichtige Bildungsinstanz. Das wird leider oft vergessen. Auch kleine Kinder benötigen eine pädagogische Begleitung, einen strukturierten Alltag und vor allem Gleichaltrige. Abgesehen davon, dass das Kindeswohl in einigen Familien in Gefahr ist. Familien, die bereits unter normalen Bedingungen an ihre Grenzen stoßen, benötigen nun mehr denn je externe Unterstützung. Bleibt zum Schluss noch ein Zitat von der Pädagogin Katia Saalfrank aus der Diskussion bei Maybrit Illner anzuführen: „Die Gesundheit der gesamten Gesellschaft geht vor, aber Gesundheit heißt nicht nur: „Ich möchte das Virus nicht bekommen“, sondern auch die seelische Gesundheit von Kindern!“