Jubel, Trubel, Heiterkeit. So müssen jene Tage und Wochen verlebt worden sein, als sich ein großes Ereignis abspielte. Manch eine hochbetagte Einwohnerin oder manch ein rüstiger Einwohner aus der Elmregion mag sich vielleicht noch erinnern. Die Hochzeit von Armgard von Veltheim mit dem Hohenzollernprinzen Wilhelm Karl von Preußen fand am 1. März 1952 in der Destedter Dorfkirche statt. Es war ein Sonnabend, als der gesamte Ort auf den Beinen und in Feierlaune war. In diesem Monat ist die Adelstrauung 69 Jahre her. „Schaufenster“ blickt auf dieses besondere Ereignis zurück, über das Ortsheimatpfleger Jörg-Eckehardt Pogan und Otto Lüer im zweiten Band der Destedter Dorfchronik berichteten, das im vorigen Jahr erschienen ist. Wir trafen uns mit Pogan und Mechtild von Veltheim. Sie war die Nichte des Prinzenpaars und zu dem Zeitpunkt vier Jahre alt. „Mit meiner Schwester Viktoria war ich ein Blumenmädchen“, erzählte Mechtild von Veltheim. Pogan war gerade einmal zwei Jahre alt. Direkte Erinnerungen haben beide nicht, doch ihnen wurde einiges von der Vermählung erzählt.   

Wilhelm Karl von Preußen war der Sohn des Prinzen Oskar und damit Enkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. Er war an jenem Tag 30 Jahre alt und kam aus Holzminden, als er das 26-Jährige Schlossfräulein Armgard von Veltheim aus Destedt zur Ehefrau nahm. „Die Hochzeit hatte für Furore gesorgt. Es war die erste Preußenhochzeit nach dem Krieg“, betonte Mechtild von Veltheim. Da ihr Familien-Stammbaum bis nach Finnland reicht, wurde über jenes Liebesglück auch in ganz Europa berichtet. Zahlreiche Zeitungen, so beschrieb es Otto Lüer in der Chronik, berichteten ausführlich mit vielen schwarz-weiß Bildern. Aufzeichnungen vom Adelsgeschlecht von Veltheim reichen bis ins 11. Jahrhundert zurück.

Armgard von Veltheim war die Schwester von Ludolf von Veltheim. Beide wohnten mit deren Eltern auf der Unter- und Oberburg. Das Dorf war noch mehr landwirtschaftlich geprägt, die von Veltheims bestellten die Felder zur Versorgung der Bevölkerung. Es war das Jahr 1949, als Ludolf von Veltheim zu einem Reit- und Fahrturnier nach Verden aufbrach, doch zur Rückfahrt kein Permit in der Tasche hatte (Reiseerlaubnis). Da fuhr die Schwester hinterher, kam abends an und lernte beim Reiterball ihren Künftigen kennen. Doch erst zwei Jahre später hatte es bei beiden „gefunkt“, daher wählte die Braunschweiger Zeitung damals die Überschrift „Es war Liebe auf den zweiten Blick“. Im September 1951 hatte Prinz Wilhelm bei Fritz von Veltheim um die Hand seiner Tochter gebeten. Dann ging alles schnell. 

„Am 29. Februar 1952 fand der Polterabend im Gasthof Krökel statt“, sagte Pogan. Das ganze Dorf wurde eingeladen. Allesamt ließen sie wiederholt das Brautpaar hochleben. Die Trauung fand dann einen Tag später in der Dorfkirche statt. Schon bei der Fahrt mit der Kutsche zur standesamtlichen Trauung, die der Destedter Schmiedemeister und Standesbeamte Karl Eßmann in seinem Haus an der Elmstraße vornahm, säumten zahlreiche Zuschauer die Wege, heißt es in der Niederschrift von Otto Lüer. Die kirchliche Zeremonie nahm Domprediger Döring vor. Die Kirche soll bis auf den letzten Platz besetzt gewesen sein. Damals gab es noch die „Dorfkirche“, erst von 1963 bis 1967 wurde sie zur Epiphaniaskirche saniert. „Die Beschäftigten des Gutsbetriebes erhielten Karten und konnten an der Trauung in der Kirche teilnehmen“, erfuhr Pogan von seiner Patentante, die eingeladen war. 

Chronist Pogan wusste, dass in den 50er Jahren viele Straßen noch nicht so gut ausgebaut waren. „Die Feuerwehr spritzte Wege und Straßen sauber. Alles musste ordentlich aussehen“, ergänzte er. Die Brandschützer versahen zudem den Ordnungsdienst. Etwa 80 Polizisten mit Pickelhauben, so Mechtild von Veltheim weiter, sicherten die Eheschließung ab. Den Berichten nach gab es hinterher einen langen Hochzeitszug. Armgard von Veltheim nahm, wie es üblich war, den Nachnamen von ihrem Mann an. Als Prinzessin Armgard von Preußen war sie eine beliebte Persönlichkeit.

Am Nachmittag zeigte sich das Brautpaar vor den wartenden Menschen vor der Oberburg. Zu den Gästen zählten unter anderem Prinz Louis Ferdinand und Prinzessin Kira sowie die Herzogin Victoria Louise von Braunschweig. Viele Freunde der Häuser von Preußen und von Veltheim wurden geladen. 

„Im Schloss gab es den Esssaal. Er bot Platz für die gut 60 Gäste. Tische wurden nach dem Essen zur Seite geschoben und dann getanzt“, verriet Mechtild von Veltheim. Fracks und lange Kleider wurden getragen. Suppe, Karpfen aus eigener Züchtung und Puter wurde gespeist. Eis gabs zum Nachtisch. „Der Blumenschmuck wurde aus den eigenen Gewächshäusern gestellt“, wusste sie.

Über die Trauung und die Feier gibt es laut Pogan sogar einen Film. „Herr Maas war Drogist und hat 1950, 1951 und 1952 über das Leben in Destedt Filmaufnahmen gemacht“, so der Ortsheimatpfleger. Jene Aufnahmen wurden bei Familie Maas irgendwann auf dem Dachboden wiedergefunden und Pogan übergeben. Rüdiger Ringel aus Destedt ist dabei, die Filmrollen zu digitalisieren. Auch soll es Tonspuren geben. „Das war für die Zeit gewaltig, Töne aufzunehmen. Ich habe mir dafür extra einen Tonprojektor gekauft, um das abspielen zu können“, so Ringel. Im Film sieht man auch, wie Tauben nach der Trauung flogen. „Herr Maas war richtig stolz, weil er auch bei der Feier im Schloss drehen durfte“, fuhr Pogan fort. Lange Zeit galt der 1. März in Destedt als Feiertag. 

Noch im gleichen Jahr der Trauung erblickte Tochter Donata-Viktoria das Licht der Welt und wurde in Destedt getauft. Zwei weitere Söhne Wilhelm Karl (1955) und Oskar (1959) gingen aus der Ehe hervor. Von ihrer Cousine und den beiden Cousins holte sich Mechtild von Veltheim weitere Infos ein. Das Adelsgeschlecht freue sich, dass nach so langer Zeit noch einmal daran erinnert wird. 

Armgard und Wilhelm Karl von Preußen zogen 1954 nach Holzminden. Während er Geschäftsführer einer Essenzen- und Duftstofffabrik war, zu den besten Turnierreitern zählte, Motorrad fuhr, genauso gerne Liköre trank, waren es nicht nur die Gegensätze, die sie einander näherbrachten. Zudem war er Herrenmeister des Johanniterordens. Das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern wurde ihm 2001 verliehen, ein Jahr später wurde er Ehrenbürger von Holzminden. 

Sie hörte am liebsten das Violin-Konzert von Beethoven, doch die Liebe zu Hunden und Pferden war es wohl am Ende, weshalb beide ein langes Glück hatten. Auch soll sie aufgrund ihrer Kochkünste bekannt gewesen sein und leidenschaftlich getanzt haben. Eingezogen wurde sie im Krieg zur Flak-Ersatz-Abteilung 36 in Wolfenbüttel und leitete auf dem Exer-Gelände zeitweise die Kleiderkammer. Viele Familienfeiern fanden im Destedter Schloss statt, so auch ihr 80. Geburtstag im Jahr 2006. Auch wurden viele gemeinsame Weihnachtsfeste gefeiert und der Besuch in der Epiphaniaskirche zur Christvesper gehörte selbstverständlich für alle Gäste dazu. 

Während Wilhelm Karl von Preußen 2007 in Holzminden im Alter von 85 Jahren starb, wurden beide am 1. November 2019 wieder vereint. Prinzessin Armgard von Preußen wurde 94 Jahre alt. Beide wurden in Potsdam beerdigt, in der Heimat des Adelsgeschlecht von Preußen.