Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil besuchte die Werkstatt sowie die Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung an der Mascheroder Straße der Lebenshilfe in Wolfenbüttel. Neu für ihn war die Anrechnung von Sonderzahlungen an Werkstätten-Beschäftigten auf die Grundsicherung.
Begleitet wurde Weil von Dunja Kreiser (MdL), Landrätin Christiana Steinbrügge und SPD-Bürgermeisterkandidat Dennis Berger. „Die diesjährigen Kommunal- und Bundestagswahlen sind die ersten, an denen viele Menschen mit Behinderungen teilnehmen und ihre Stimme einbringen dürfen. Daher sind sie an den Themen Politik und der Einstellung von Politikern sehr stark interessiert“, erklärt Dr. Joop van den Heuvel, Vorsitzender des Lebenshilfe Wolfenbüttel e. V.
Seit Tagen und Wochen sind die anstehenden Wahlen für die Mitarbeitenden in den Werkstätten für Menschen mit einer geistigen Behinderung und den Bewohnern und Bewohnerinnen der Mascheroder Straße immer wieder ein Thema. Von „Warum ist es wichtig, meine Stimme abzugeben?“ bis hin zu „Wie komme ich ins Wahllokal?“. Entsprechend wichtig war für sie der Besuch des „Chefs von Niedersachsen“.
„Politik und die Aussagen von Politikern zu verstehen, ist nicht einfach. Daher erklären und sprechen wir viel über das Thema“, berichtete Axel Koßmann, Sozialarbeiter und Öffentlichkeitsbeauftragter der Lebenshilfe. Um Inklusion im Alltag zu vereinfachen, setzt sich die Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel für leichte Amtssprache ein und hat mehrere Aktionen ins Leben gerufen, um Leichte Sprache bekannter zu machen – ein Thema, mit dem sich Weil bereits auskennt. „Mir selbst ist bereits so ergangen, dass ich mir die Mühe gemacht habe, eine politische Rede in Leichter Sprache zu verfassen. Die Zuhörer hat es irritiert – aber wahrscheinlich haben sie sich davon mehr gemerkt, als von normalen Reden“, berichtet er und begrüßt die Idee, auch Stadtführungen in Leichter Sprache anzubieten.
Auf Nachfrage von Werkstattrat Kai-Richard Meyer positionierte sich Weil klar zum Erhalt von Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt müsse jedem offen stehen, der arbeiten möchte – aber für alle, die es nicht möchten oder können, sollten die Werkstätten weiterhin da sein. Das Budget für Arbeit sei ein gutes Werkzeug, um die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Gleichzeitig seien die Möglichkeiten, die es eröffnet, noch nicht ausgeschöpft. Besonders im politischen Umfeld gebe es noch Nachholbedarf: In den niedersächsischen Ministerien gibt es genauso wie in der aktiven politischen Arbeit nur wenige Menschen mit einer geistigen Behinderung. Und so könne „Nicht ohne uns über uns“ nicht gelebt werden. Er versprach, sich weiter für Inklusion einzusetzen und mit der Lebenshilfe in Kontakt zu bleiben. Außerdem stellte er einen weiteren Besuch im kommenden Jahr in Aussicht.
Dann könnte es auch um die Entlohnung von Mitarbeitenden in den Werkstätten gehen. Denn neu war für den Ministerpräsidenten, dass Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bei Werkstatt-Beschäftigten komplett in der Grundsicherung angerechnet werden – sie also trotz vieler Stunden Erwerbsarbeit nichts davon haben. Ein Thema, mit dem er sich noch einmal befassen möchte, sicherte er zu. Denn genau dafür mache er Besuche wie diesen bei der Lebenshilfe – um Dinge zu erfahren, die nicht optimal sind. Und Veränderungen anzustoßen.