Eine ungewöhnliche Möglichkeit eröffnete sich den Mitgliedern der Wolfenbütteler Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), als ihr Kreisvorsitzender Holger Bormann am Mittwochabend in den Beach Club an den Stadtgraben eingeladen hatte. Dort stand eigentlich der erste MIT-Dialog nach langer Corona-Pause auf dem Programm. Titel: Menschen.Hilfe.Arbeit.

Eher zufällig nahmen zwei politische Hochkaräter daran teil: Neben dem Wolfenbütteler CDU-Landtagsabgeordneten Frank Oesterhelweg auch dessen Fraktionskollege Volker Meier (Diepholz), der zudem sozialpolitischer Sprecher der CDU im Landtag ist – mithin ergaben sich ideale Chancen für einigen Input aus Wolfenbüttel in die Landesregierung hinein. Beide MdL hatten zuvor gemeinsam mit Bormann eine Tour durch die Lessingstadt absolviert. „Wir haben einen Pflegedienst besucht und anschließend den Hospizverein“, berichtete der MIT-Vorsitzende. Danach traf das Trio mit Pflegeeltern von Kindern zusammen, die aus schwierigen Verhältnissen stammen. „Das waren interessante Gespräche, die uns viel gebracht haben“, sagte Bormann zu diesen Infos aus erster Hand.

Am Abend war die Resonanz groß, mehr als 30 Menschen trafen sich zum Gedankenaustausch. „Alle wollen wieder rausgehen und Leute treffen“, urteilte der Gastgeber. „Wir freuen uns auf spannende Tischgespräche.“ Zuvor jedoch ging es auf einem improvisierten Podium um Fragen rund um die ukrainischen Flüchtlinge. „Wie kann der Mittelstand helfen?“, wollte Bormann von Bürgermeister Ivica Lukanic sowie dem Vorstand des DRK-Kreisverbandes, Andreas Ring, wissen, der mit Ehrenamtkoordinatorin Aline Gauder gekommen war.

Nach Ansicht des Bürgermeisters werden uns die Folgen des Krieges noch jahrelang beschäftigen – auch über die reine Flüchtlingsfrage hinaus. Es gebe vielfältige Herausforderungen, doch Wolfenbüttel sei gut aufgestellt: „Mein Vorgänger hat bereits 2015 in der vorigen Flüchtlingswelle die Stabsstelle Integration eingerichtet. Die gibt es noch immer, und so war unsere Notunterkunft nach 14 Tagen aufnahmebereit.“

Ganz aktuell berichtete Lukanic von neuen Zahlen aus der Landesregierung: Niedersachsen rechne nun mit 125.000 zugewiesenen Flüchtlingen, was eine deutliche Aufstockung bedeutet. Andreas Ring ergänzte, dass im Moment 25 Personen pro Woche zugewiesen werden. Es sei absehbar, dass die 250 Plätze in den Notunterkünften Mitte Mai voll belegt sind. „Ich gehe zudem von einer großen Dunkelziffer jener Menschen aus, die ohne Registrierung irgendwo untergekommen sind.“ Diese Aufnahmebereitschaft und auch die Hilfsangebote der Bevölkerung seien zwar riesig und beeindruckend. „Auf Dauer ist diese Situation aber nicht belastbar.“

Die Frage Bormanns nach Möglichkeiten, Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, beantwortete Aline Gauder. Zwar gebe es gerade in der Unterkunft Schöppenstedt viele junge und gut ausgebildete Personen, doch deren Vermittlung sei nur uneinheitlich möglich. „Mal abgesehen davon, dass viele weiter studieren wollen, sind auch nicht alle in der Ukraine gebürtig.“ Das erschwere die Vermittlung, denn dem stehe deutsches Recht entgegen. „Diese Konflikte können wir hier nicht lösen“, erklärte der Bürgermeister und kündigte an, mit dieser Frage an den Städtetag heranzutreten. Immerhin habe das DRK begonnen, Flüchtlinge in Wohnraum zu vermitteln, betonte Gauder.

Volker Meier erklärte, er kenne aus Diepholz die Unsitte des Landes, „spontan am Freitag anzurufen und zwei Busse mit Flüchtlingen für Sonntag anzukündigen“. Gleichwohl werde er die Hinweise der DRK-Flüchtlingshilfe aufgreifen und in den Dialog mit der Landesregierung mitnehmen. „Da muss dringend nachgesteuert werden.“

Bürgermeister Lukanic erinnerte an die bei der Stadt eingerichtete Mailadresse Ukrainehilfe@Wolfenbuettel.de. Dort werden sämtliche Angebote aus der Bevölkerung gesammelt, ob es um Mitarbeit, Spenden oder freie Wohnungen geht. Und er zerstreute Befürchtungen, die Neuankömmlinge könnten in puncto Corona eine bedeutende Gefahr mitbringen. Selbst wenn die Impfquote in der Ukraine nur bei 35 Prozent liege und es dort ausschließlich russische und chinesiche Impfstoffe gebe, fielen die geringen Zahlen der Flüchtlinge hier nicht ins Gewicht.

Das Rote Kreuz hat in der Schöppenstedter Unterkunft eine eigene Sanitätsstation eingerichtet, erklärte Andreas Ring. Auch eine Reihe niedergelassener Ärzte habe sich entschlossen, in der ehemaligen Schule (130 Plätze) regelmäßige Sprechstunden anzubieten. „Natürlich bleibt ein Risiko, wenn Menschen auf engstem Raum zusammenleben“, sagte er. „Wir weisen unsere Gäste stets intensiv auf die Hygieneregeln hin.“