Was haben die Bremer Stadtmusikanten mit dem Landkreis Wolfenbüttel zu tun – und explizit mit der ehemaligen Deutschordenskommende in Lucklum? Die Beantwortung dieser Frage entwickelte sich am Freitagabend zu einem sehr persönlichen Statement von Florian Rehm. Der „Jägermeister“-Erbe und Chef der Güterverwaltung Reinau hatte rund 120 Gäste eingeladen, bei der ersten Präsentation des Kunstwerks in Lucklum dabei zu sein. Auch der Künstler war anwesend: Prof. Markus Lüpertz, der am morgigen Montag 81 Jahre alt wird, kam eigens aus Karlsruhe.

Was er sah und hörte, dürfte ihm gefallen haben. Die fast viereinhalb Meter hohe Skulptur steht exakt da, wo sie nach einer intensiven Standortsuche hinsollte. Die Kunsthistorikerin in Diensten der Gutsverwaltung,
Dr. Elisabeth Vorderwülbecke, sprach später von einer „langen gedanklichen Wanderung“, die der Aufstellung vorausgegangen war. Es sei um Sichtachsen gegangen und um inhaltliche Zusammenhänge. Nun steht das zwei Tonnen schwere Werk der berühmten vier Tiere auf einem Postament direkt vor dem Café. Als es noch Tierhaltung gab auf dem Rittergut, war hier die Miste angelegt – da passt das Quartett mit Esel, Hund, Katze und Hahn prächtig hin.

Warum aber die Anschaffung eines weiteren Werkes von Lüpertz? In Wolfenbüttel steht neben dem Bürgermuseum bekanntlich seine Skulptur „Wilhelm Busch“, ebenfalls durch Rehm gekauft. Die Gäste lernten: Beides hat miteinander zu tun, denn als sich der Wolfenbütteler damals in der Gießerei Schmäke in Düsseldorf über den Fortgang der Arbeiten am „Busch“ informierte, stieß er in der Werkstatt auf die „Musikanten“. 

„Ich fühlte mich plötzlich an meine Kindheit erinnert“, erzählte Rehm am Mikrofon seinen Besuchern. Einst habe sein Großvater ihm zur guten Nacht Grimm‘sche Märchen vorgelesen, darunter mit Vorliebe die Geschichte der vier Tiere. Ohnehin liege die Kunst ja im Auge des Betrachters, sagte er. „Dieses Werk in Verbindung mit meinen Erinnerungen haben mich spontan veranlasst, den Kauf in die Wege zu leiten.“ Das war nicht ganz einfach, denn eigentlich handelte es sich um eine Auftragsarbeit, und Lüpertz gilt schließlich als einer der bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart.

Doch der Ankauf gelang, und die künstlerische Leitung der Güterverwaltung Reinau hatte am Freitag ein fast schon liebevolles, um nicht zu sagen märchenhaftes Programm gestrickt rund um die Übergabe der Skulptur an die Öffentlichkeit. Die Braunschweiger Schauspielerin Kathrin Reinhardt hielt zunächst die Laudatio auf Werk und Meister und wies en passant darauf hin, in welch illus­tre Liste von Lüpertz-Standorten sich Lucklum nun einreiht: Seine Skulpturen und Bilder stehen und hängen zum Beispeil im Bundeskanzleramt in Berlin und im Bundesgerichtshof in Karlsruhe. 

Ein Schreck kam auf unter den Besuchern, als Kathrin Reinhardt dann anhob, das Märchen zu verlesen – immerhin war es frisch am Freitagabend. Doch auch daran hatte Dr. Vorderwülbecke gedacht, und eine gestraffte, phonetisch anspruchsvolle und dadurch kurzweilige Version vorbereitet. Zum Glück blieb der berühmte Satz erhalten: „Was Besseres als den Tod findest du überall“, denn nicht wenige Gäste erinnerten sich dadurch an ihre eigenen Grimm-Erfahrungen.

Spätestens hier ging wohl auch jedem auf, wie treffend Lüpertz das Quartett gestaltet hat. „Schrundig, bewegt, haptische Oberfläche“, so schilderte es die Schauspielerin. In der Tat befinden sich die gealterten Tiere im Märchen auf der Suche nach einem letzten Ort des Glücks. Dass sie ihn finden, liegt am solida­rischen Handeln, zu dem sich die vier so gegensätzlichen Charaktere zusammenraufen.

Dass er in Lucklum seinen persönlichen Ort des Glücks gefunden hat, machte Florian Rehm schon in seiner Begrüßung deutlich. Ganz bewusst stellte er an den Beginn der Rede einen Dank an seine Mitarbeiter der Gutsverwaltung. „Wir sind stolz, sie alle zu haben.“ Einerseits sei nur mit gutausgebildeten Mitarbeitern die Bewirtschaftung von 5000 Hektar Acker und Wald (an fünf Standorten) möglich. Andererseits empfinde er den Kreis der 60 Mitarbeiter auch immer wieder als Quelle der Inspiration für neue Ideen. „Nur durch sie ist es uns möglich, neue Leuchttürme zu entdecken und zu entwickeln.“

Und Rehm lieferte gleich ein paar Beispiele: „Auf 34 Hektar haben wir mittlerweile 24 Naturteiche angelegt, aus denen wir Karpfen ziehen. Wir halten Hühner, die uns Doppelnutzen bringen, nämlich Eier und Fleisch.“ Zudem sei die neue Reithalle zukünftig komplett mit aktueller Solararchitektur versehen. In Kombination mit der modernen Hackschnitzel-Anlage sei die Energie- und Stromversorgung von Lucklum und Evessen abgesichert.

Und bevor die Gäste zum Essen an langen Tafeln im ehemaligen Ackerpferdestall gingen, informierte sie Rehm: „Wenn Sie etwas mit nach Hause nehmen wollen, haben wir kompostierbare Behälter aus Zuckerrohr da, die sich problemlos entsorgen lassen.“ Man solle sich nicht komisch fühlen, etwas mitzunehmen statt es wegzuwerfen: „Wir glauben, dass dies bald die neue Normalität sein wird.“

Zum Essen spielte Jazz-Pianist Jan Behrens, und später durfte noch getanzt werden, DJ Lucius Goedeke legte auf. Ganz sicher ging bei vielen der Wunsch des Gastgebers in Erfüllung. „Kunst liegt im Auge des Betrachters“, hatte Rehm gesagt, und ergänzt: „Wenn Sie künftig die Bremer Stadtmusikanten von Lüpertz sehen, denken Sie hoffentlich: Das war damals ein schöner Abend.“