Das war eine turbulente Woche in Norddeutschland. Nach dem Sturm „Ylenia“ fegte in der Nacht zum gestrigen Samstag auch noch „Zeynep“ mit orkanartigen Böen über Niedersachsen und seine Nachbarn hinweg. Die Feuerwehren in Stadt und Landkreis Wolfenbüttel hatten sich intensiv auf ihre Einsätze vorbereitet.
Echte Not-Alarmierungen blieben dann in der Stadt zum Glück weitestgehend aus, berichtete Wolfenbüttels Pressesprecher Thorsten Raedlein. „Die Nacht war relativ ruhig“, sagte er am Samstagvormittag. „Die Schäden werden jetzt erst richtig sichtbar, und so kommen jetzt wieder mehr Einsätze rein.“ Tatsächlich waren die Martinshörner den ganzen Samstag über zu hören in der Innenstadt.
Durchschlafen konnten die Kameraden in Wolfenbüttel indes auch nicht. Es trafen doch so einige Anrufe ein, die wir hier im Telegramm veröffentlichen. Dabei darf man nicht vergessen: Hinter den trockenen Einsatzberichten verbergen sich oft dramatische Szenen. Zwischen der Meldung „Baum auf der Straße in Salzdahlum“ um 22.28 Uhr und der Entwarnung „Baum mittels Kettensäge beseitigt“ um Mitternacht stecken 90 Minuten harter Arbeit für die Kameraden. Diese nächtlichen Rettungstaten sind ohnehin schon schwer, kompliziert und gefährlich. In diesen Stunden unter Sturmbedingungen aber steigt die Belastung nochmal an.
„Ja, man kann es sich nicht aussuchen“, sagt Tobias Stein, Pressesprecher der Stadtfeuerwehr. Der 47-Jährige ist seit 30 Jahren bei der Feuerwehr aktiv sowie seit bald 25 Jahren im Rettungsdienst. Er darf somit wohl als alter Hase gelten. „Sonnenschein und 25 Grad sind bei unseren Einsätzen selten der Fall“, sagt er schmunzelnd. Die meisten Alarmierungen fänden halt aufgrund von Sturmtiefs statt. „Und dann kommt eben alles zusammen.“
Regen, Kälte, starker Wind – „das sind schon ganz andere Herausforderungen, wenn in der Situation ein Baum von der Straße geholt werden muss.“ Die Seilwinde muss stabil verankert sein, das Gurtzeug hält nicht gut am feuchten Baum, der Sturm zerrt an Helm und Kleidung: Und das alles bei eingeschränkter Sicht am Rande einer Kreisstraße.
Übrigens ist nach solchem Einsatz der Einsatz im Kopf noch nicht vorbei. „Im Laufe der Jahre wird man natürlich ruhiger“, erklärt Tobias Stein. Trotzdem muss auch er die Eindrücke oft erstmal verarbeiten. „Man hat zusammen mit den Kameraden gekämpft, man ist auch stolz, etwas geschafft zu haben.“ Adrenalin spielt in diesen Situationen sicher eine große Rolle. Da gelinge es längst nicht jedem, nach Hause zu fahren und die Augen zu schließen. „Natürlich geht jeder anders damit um. Mancher bleibt noch länger wach, ich kann zum Glück immer und überall schlafen.“ In seinen vielen Dienstjahren sei es oft vorgekommen, dass er 24 Stunden am Stück gefordert war. „Da half es immer, dass ich zur Not auch stehend schlafen könnte.“
Doch in der Nacht zum Samstag ging es für viele Feuerwehrleute erstmal nicht nach Hause. „Das kommt natürlich auf die Lage an“, verdeutlicht Tobias Stein. Wenn der nächste Einsatz sozusagen um die Ecke warte, blieben die Einsatzkräfte schon mal auf der Feuerwache in Wartestellung. „Auf der anderen Seite wird Rücksicht genommen, wenn möglich: Wer einen kräftezehrenden Einsatz gehabt hat, sollte nicht gleich nochmal los.“
Wenn es irgend geht, werden Einsätze auch auf Zeiten verschoben, in denen die Umstände nicht ganz so widrig sind wie in der Nacht des Sturms. So wie bei einem weiteren umgestürzten Baum, der auf dem Kindergarten in Halchter lag. Die Situation wurde gesichert und die Bergung auf den hellen Tag verschoben, weil keine Gefahr im Verzug war. Eine gute Entscheidung, denn auch die Sicherheit der Retter ist wichtig.