Elektrizitätserzeugung in Flammen, Ionenleitung in Gasen, Herstellung der ersten Glühkathoden-Diode, Elektrizität der Atmosphäre, Lichtelektrischer Effekt und erste Photozelle, Radioaktivität des Erdbodens und Erklärung der Radioaktivität als Atomzerfall. Diese bedeutenden Entdeckungen und technische Entwicklungen waren bahnbrechend für die gesamte Welt und gehen aufs Konto von Julius Elster (24. Dezember 1854 – 6. April 1920) und Hans Geitel (16. Juli 1855 – 15. August 1923). „Das 100. Todesjahr von Hans Geitel nimmt der Kulturstadtverein zum Anlass, an die beiden herausragenden in unserer Region wirkenden Physiker und Lehrer zu erinnern“, freute sich Vorsitzender Professor Dr. Christoph Helm bei der Eröffnungsfeier des Themenjahres 2023 am Donnerstagabend in der Herzog August Bibliothek. In der Augusteerhalle wurde es voll, lebendig und hochinteressant. 

Der Verein hat wieder ein spannendes Thema ausgepackt. Das dürfte in Wolfenbüttel das gesamte Jahr über auf großes Interesse stoßen. Denn neben den bisherigen Persönlichkeiten wie Gotthold Ephraim Lessing und Michael Praetorius gibt es mit Elster und Geitel noch weitere bedeutende Herren, die in Wolfenbüttel wirkten. Die HAB bewahrt ihren Nachlass auf, so zum Beispiel ihren Gedankenaustausch mit den damals berühmtesten Physikern ihrer Zeit.

Dr. Johannes Mangei, stellvertretender Direktor, sagte eingangs, dass solch ein Abend wie dieser vorerst der letzte sein wird. Die Augusteerhalle wird ab April für Bauarbeiten geschlossen. An der Decke bröselte der Putz. „Ich wünsche dem Themenjahr einen glücklichen Verlauf“, meinte er. Etliche Quellen stellten sie in den Vitrinen aus, zu denen er einlud, sie anzuschauen. 

Helm freute sich, dass Verwandtschaft von Hans Geitel dabei war. Der Großneffe Friedrich Wilhelm Geitel saß in der ersten Reihe, zudem Dr. Ute Krause, die Leiterin des Gymnasiums Große Schule. „Sie waren Wissenschaftler von internationalem Rang“, bewunderte Helm, dessen Vita selbst auch große Wissenschaftliche Spuren hat. Als man 1896 die Radioaktivität entdeckte, gehörten beide mit zu den ersten Forschern, die sich intensiv mit diesem neuen Phänomen beschäftigten. „Als Erste sprachen sie vom Atomzerfall, auch der Begriff Atomenergie stammte von ihnen“, so Helm. Zwischen 1904 und 1911 wurde das unermüdlich forschende Wolfenbütteler Freundespaar siebenmal für den Physik-Nobelpreis nominiert. 

Rudolf G.A. Fricke, einer der großen Kenner und mitreißender Akteur des Themenjahres, gab den Anstoß. Elster wurde in Blankenburg a.H. geboren, Geitel in Braunschweig. Das Schicksal fügte es, dass beide 1861 in der Harzstadt Nachbarn wurden. Schnell freundeten sie sich an und entdeckten die Naturwissenschaft für sich. In Heidelberg studierten dann beide Physik, Chemie und Mathematik. Ab dem Frühjahr 1881 lehrten beide gemeinsam am Wolfenbütteler Gymnasium Große Schule. An den Hochschulen Göttingen und Braunschweig wurden sie zu Ehrendoktoren ernannt. Mit den berühmtesten Wissenschaftlern – Röntgen, Curie, Rutherford, Kelvin, Thomson – standen beide im Gedankenaustausch. Manche kamen sogar nach Wolfenbüttel für Forschungsarbeiten. 

Den Festvortag hielt Professor Dr. Gunnar Berg, Vizepräsident der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften. In seiner anderthalbstündigen Ausführung ging er ziemlich eindrucksvoll darauf ein, wie in Naturwissenschaft das Neue entsteht. Die Etappen der Wissenschaft von fortschreitender Erkenntnis bis zur Verteidigung bewährter Theorien gehörten dazu. „Zur Wissenschaft gehört auch, an den Erkenntnissen zu zweifeln, denn Wissenschaft muss immer reproduzierbar sein“, erklärte er. Berg gab an, dass 1891 Geitel und Elster vorgeschlagen wurden, Leopoldina- Mitglieder zu werden. „Die Wahl erfolgte 1892, zeitlich aber noch später als ihre Erfindung der Photozelle, dessen Patent 1893 in Berlin beim kaiserlichen Patentamt einging.“ Eine Leistung mit beachtlicher Wirkung. 

Beerdigt sind beide übrigens auf dem Hauptfriedhof an der Lindener Straße. Mit vielen Aktivitäten soll an den Weltruhm der beiden Wolfenbütteler Physiker in diesem Jahr gedacht werden.